Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelungen des EWR-Abkommens
Leitsatz (redaktionell)
Das EWR-Abkommen ist mit allen Teilen am 1.1.1994 in Kraft getreten, obgleich die für die Regelung der Anwendungsmodalitäten der Preisausgleichsregelungen (Art. 2-3 des Protokolls 3) vorgesehenen Anlagen bis heute nicht erstellt wurden.
Normenkette
EWR-Abk Art. 10, 8 Abs. 2, 3a, 3b
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin führte regelmäßig Aquavit aus Norwegen in die Bundesrepublik zur Einlagerung in ihr Branntweinlager ein. U.a. mit Zahlungsanmeldungen vom 15.2., 15.3., 15.4. und 6.5.1994 meldete sie die jeweils dem Lager entnommene Ware zur Versteuerung nach dem gültigen Zollsatz für die Warennummer 22089058 an. Der Beklagte nahm die Anmeldungen ohne Änderung an. Mit Einsprüchen vom 28.2., 24.3. und 19.5.1994 wendet sich die Klägerin unter Berufung auf das EWR-Abkommen, insbesondere dessen Art. 10 sowie Art. 3 Abs.2 des Protokolls 3 zum EWR-Abkommen gegen die Zollerhebung. Mit Einspruchsentscheidungen vom 13.3.1997, zugestellt am 21.3.1997, wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er begründete dies im wesentlichen damit, dass das Protokoll 3 zum EWR-Abkommen mangels Einigung über das vorgesehene Preisausgleichssystem nicht in Kraft gesetzt sei. Hiergegen hat die Klägerin am 21.4.1997 Klage erhoben.
Sie trägt vor: Die Zollfreiheit ergebe sich aus Art. 10, Art.8 Abs.3b des EWR-Abkommens i.V.m. Art. 1 des Protokolls 3 zum EWR-Abkommen. Die Ware sei in den Tabellen I und II des Protokolls 3 aufgeführt. Die Voraussetzungen von Art. 11 des Protokolls 3 (betr. den Vorrang der Bestimmungen des Freihandelsabkommens mit Norwegen) seien schon deshalb nicht erfüllt, weil das Protokoll 2 des Freihandelsabkommens eine Regelung für Aquavit nicht vorsehe. Das EWR-Abkommen sei in allen seinen Teilen zum 1.1.1994 in Kraft getreten. Argumente dafür, dass das Protokoll 3 bzw. dessen Artikel 3 bis 9 nicht in Kraft getreten seien, könnten aus Art. 11 nicht hergeleitet werden. Im Gegenteil wäre Art. 11 des Protokolls 3 überflüssig, wenn die Artikel 3 bis 9 des Protokolls 3 nicht in Kraft getreten wären. Könnten die Vertragsparteien durch Untätigkeit die Anwendung des alten Zollsystems bewirken, so würde zudem das in Art. 10 festgeschriebene Verbot der Erhebung von Zöllen ausgehebelt. Die Auffassung der Klägerin entspreche auch der Auffassung des EuGH (Urteil v. 22.1.1997 Rs T-115/94 , ZfZ 1997,194, zur Bedeutung des EWR-Abkommens selbst in der Zeit vor dessen Inkrafttreten). Da Aquavit auch in Tabelle II des Protokolls 3 aufgeführt sei - jedenfalls in der in der Bundesrepublik allein beanspruchenden deutschen Sprachfassung - folge die Zollfreiheit zudem aus Art. 10 Abs.1 S. 2 des Protokolls 3. Für weitere Einzelheiten der Argumentation wird auf die Schriftsätze vom 21.4.1997, 16.1.1998 und 8.4.1998 verwiesen.
Die Klägerin beantragt, die Zollbescheide vom 15.2.1994 - ZL/D/.../94, vom 15.3.1994 - ZL/D/.../94, vom 15.4.1994 - ZL/D/.../94 und vom 6.5.1994 - ZL/D/.../94 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13.3.1997 - RL-.../94, RL .../94, RL .../94, RL .../94 - aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: Entsprechend einer Stellungnahme der Europäischen Kommission habe infolge einer fehlenden Einigung zwischen der EG und Norwegen ein für die Waren der Tabelle I des Protokolls 3 des EWR-Abkommens vorgesehenes Preisausgleichssystem hinsichtlich der Anwendungsmodalitäten nicht in Kraft gesetzt werden können. Demzufolge seien die für die Waren der Tabelle I vorgesehenen Regelungen in Art. 3 bis 10 des Protokolls 3, mithin auch Art. 3 Abs. 2 des Protokolls 3 nicht in Kraft getreten und damit die festen Zollsätze, die durch das Preisausgleichssystem hätten ersetzt werden sollen, aufrecht erhalten geblieben. Letzteres werde durch einen Vergleich mit Art. 11 erster Anstrich des Protokolls 3 bestätigt, der für den Fall, dass das Preisausgleichssystem nicht in Kraft tritt, auf das Protokoll 2 zum Freihandelsabkommen verweise. Da hierin keine besondere Regelung für Aquavit enthalten sei, sei es folgerichtig, bei der Einfuhr aus Norwegen in die EG den Drittlandzoll zu erheben. Art. 10 des Protokolls 3 sei auch deshalb nicht anwendbar, weil Aquavit nicht unter die Tabelle II des Protokolls 3 falle. Etwaige Zweifel würden spätestens durch die (als Anlage zum Schriftsatz vom 18.2.1998 eingereichte) englische und französische Fassung der Tabelle II beseitigt. Es wäre auch systemwidrig, eine Ware gleichzeitig in Tabelle I und II aufzuführen.
Dem Senat hat 1 Ordner mit Zollbelegen, den Rechtsbehelfsunterlagen und Schriftwechsel vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid.
Die Klage hat teilweise Erfolg.
In Bezug auf den Bescheid vom 15.4.1997 ist die Klage wegen Verspätung des Einspruchs unbegründet.
Gem. § 355 der Abgabenordnung - AO - sind die Rechtsbehelfe gegen einen Verwaltungsakt innerhalb eines Monats nach Bekanntga...