Revision eingelegt (BFH VII R 53/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesszinsen auf zurückgezahlte Einfuhrumsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK findet auf die Anfechtung von Abgabenfestsetzungen im Rechtsbehelfsverfahren keine Anwendung.
2. Die Regelung des Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK ist erst auf die seit dem 01.05.2016 entstandenen Zollschulden anwendbar.
3. Durch die unionsrechtliche Normierung des Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK sind allein Zinsansprüche auf Erstattungsbeträge ausgeschlossen, nicht aber auch Prozesszinsen, die sich aus dem Prozessrechtsverhältnis ergeben.
Normenkette
UZK Art. 116 Abs. 6; AO §§ 233, 233a, 236
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Prozesszinsen auf zurückgezahlte Einfuhrumsatzsteuer.
Mit mehreren Einfuhrabgabenbescheiden aus dem April 2016 setzte das beklagte Hauptzollamt gegenüber der Klägerin Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 99.412,20 Euro fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin am 12.06.2017 Klage, die beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 4 K 115/17 geführt wurde.
Im Verlauf des Klageverfahrens half das beklagte Hauptzollamt den Einsprüchen ab und zahlte der Klägerin am 09.12.2019 die von ihr entrichteten Einfuhrumsatzsteuerbeträge zurück. Der Rechtsstreit wurde daraufhin von den Beteiligten übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Mit Mail vom 24.03.2020 beantragte die Klägerin den Erlass eines Zinsbescheids bezüglich des ausgekehrten Abgabenbetrages in Höhe von insgesamt 14.415 Euro seit dem 12.06.2017 (Datum der Rechtshängigkeit) unter Hinweis auf §§ 236 Abs. 1, 238 Abs. 1 AO.
Das beklagte Hauptzollamt lehnte die Zahlung von Prozesszinsen mit Bescheid vom 28.04.2020 mit der Begründung ab, dass seit dem Inkrafttreten des Unionszollkodex zum 01.05.2016 nach Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK von den betreffenden Zollbehörden im Falle der Erstattung von Einfuhrabgaben keine Zinsen zu zahlen seien. Der Bundesfinanzhof habe mit Urteil vom 22.10.2019 (VII R 38/18) entschieden, dass es für die Anwendbarkeit des Art. 116 UZK auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ankomme, da das Prozessrechtsverhältnis bereits ab Rechtshängigkeit bestehe. Die dem Antrag auf Zahlung von Zinsen zugrundeliegende Rechtssache 4 K 115/17 sei seit dem 12.06.2017 und damit nach dem Inkrafttreten des Unionszollkodex rechtshängig geworden mit der Folge, dass die Klägerin aufgrund der Sperrwirkung des Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK keine Prozesszinsen beanspruchen könne.
Die Klägerin hat am 14.05.2020 Sprungklage erhoben, der das beklagte Hauptzollamt innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 FGO zugestimmt hat. Die Klägerin meint, die Vorschrift des § 236 AO sei Ausdruck einer Wertung des deutschen Gesetzgebers; durch die Regelung des Art. 116 Abs. 6 UZK könne diese Wertung, dass Beträge, die Gegenstand eines Gerichtsverfahrens seien und im Laufe oder nach Beendigung des Gerichtsverfahrens erstattet würden, zu verzinsen seien, nicht außer Kraft gesetzt werden. Im Übrigen seien Prozesszinsen eine materiell-rechtliche Folge des erfolgreich durchgeführten Finanzgerichtsverfahrens. Wenn Art. 44 Abs. 2 lit. b) UZK das gesamte Verfahren des zweistufigen Rechtsbehelfsverfahrens den "geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten" unterwerfe, so erfasse dies auch die materiell-rechtliche Folge des finanzgerichtlichen Verfahrens, mithin das Entstehen von Prozesszinsen.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 28.04.2020 zu verpflichten, für die ihr erstattete Einfuhrumsatzsteuer Zinsen in Höhe von insgesamt 14.415 Euro festzusetzen.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es betont erneut, dass die Verzinsung eines Anspruchs auf Erstattung von Einfuhrabgaben nach § 236 Abs. 1 AO aufgrund der Vorschrift des Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK ausgeschlossen sei. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK sei auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Erstattungsanspruchs abzustellen mit der Folge, dass Art. 116 Abs. 6 UAbs. 1 UZK nicht erst auf die seit dem 01.05.2016 entstandenen Zollschulden, sondern auch auf die Zollschulden Anwendung finde, die - wie hier - vor dem 01.05.2016 entstanden seien, die Rechtshängigkeit des Erstattungsanspruchs indes erst nach dem 01.05.2016 eingetreten sei. Dass Art. 44 Abs. 2 UZK die Durchführung des zweistufigen Rechtsbehelfsverfahrens nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten eröffne, stehe dem nicht entgegen. Denn dieser Verweis auf die Vorschriften der Mitgliedstaaten beziehe sich allein auf die jeweiligen nationalen Verfahrensvorschriften; er sei deshalb nicht geeignet, materiell-rechtliche Zinsansprüche zu begründen oder zu verändern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.
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