Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzeiterwerbstätigkeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten des Kindes
Leitsatz (amtlich)
Übergangszeiten ergeben sich als vom Kind nicht zu vermeidende Zwangspausen in denen es sich typischerweise in einer Unterhaltssituation befindet, die der während der Ausbildung entspricht. Eine solche typische Unterhaltsituation ist jedoch dann nicht gegeben, wenn das Kind zwischen zwei Ausbildungsabschnitten einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht und daher in dieser Zeit kein Kindergeldanspruch besteht. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf die Kürzungsmonate entfallen, bleiben außer Ansatz.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Festsetzung und die Erstattung von Kindergeld für ein im Streitzeitraum volljähriges Kind.
Der Kläger beantragte unter dem 15.07.2001 für seine 1981 geborene Tochter Kindergeld. Die Tochter war nach dem Erreichen des Abiturs zunächst seit dem 11.07.2001 arbeitslos gemeldet, wurde dann aber zum Wintersemester 2001/20 02 an der Universität Hamburg für das Studium ... immatrikuliert (Blatt 89, 92 KG-A).
Gemäß Kindergeld-Wiederbewilligungsverfügung vom 31.07.2001 bewilligte der Beklagte daraufhin Kindergeld ab August 2001 (Blatt 90 KG-A).
Die Tochter erhielt in den Monaten Januar bis Juli 2002 BAföG-Leistungen in Höhe von insgesamt 1127,40 Euro (Blatt 121, 103 ff. KG-A). Darüber hinaus erzielte sie in den Monaten April, Mai und Juli 2002 im Rahmen einer Vollerwerbstätigkeit (Blatt 17 GA) einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von insgesamt 5.318,80 Euro (Blatt 101, 102 KG-A). Zum 01.08.2002 - trotz Immatrikulation für das Sommersemester 2002 (Blatt 106 GK-A) - trat die Tochter ein Ausbildungsverhältnis als Versicherungskauffrau an. Den entsprechenden Ausbildungsvertrag schloss die Tochter am 22.04.2002 (Blatt 157 KG-A). Im Rahmen dieses Ausbildungsverhältnisses erhielt die Tochter in 2002 eine Ausbildungsvergütung in Höhe von insgesamt 3.435 Euro (Blatt 157 KG-A). Die monatliche Ausbildungsvergütung betrug im ersten Lehrjahr 687 Euro und im zweiten Lehrjahr 757 Euro (Blatt 157 KG-A).
Die Verdienstverhältnisse der Tochter in 2002 und 2003 teilte der Kläger dem Beklagten unter dem 08.05.2003 mit (Blatt 99 KG-A).
Der Beklagte erließ nach obiger Mitteilung wegen Überschreitens des maßgeblichen Jahresgrenzbetrags den streitgegenständlichen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13.05.2003 (Blatt 112 KG-A) und wies den hiergegen eingelegten Einspruch vom 27.05.2003 mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.2003 zurück (Blatt 114, 118 KG-A).
Der Kläger hat am 18.07.2003 gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13.05.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.06.2003 Klage erhoben (Blatt 1 GA).
Der Kläger trägt vor (Blatt 5, 15, 25 GA): Die Tochter sei in 2002 in den Monaten Januar bis März und August bis Dezember gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2 a BStG (Berufsausbildung) für Kindergeldzwecke zu berücksichtigen. Sie sei zwar für das Sommersemester 2002 immatrikuliert gewesen; tatsächlich habe sie aber ab April 2002 bis zum Beginn ihrer Ausbildung zur Versicherungskauffrau eine Vollerwerbstätigkeit ausgeübt und sei für diese Zeit deshalb nicht berücksichtigungsfähig gewesen im Sinne des Kindergeldrechts. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sie bereits am 22.04.2002 den Ausbildungsvertrag mit der Versicherungsgesellschaft unterzeichnet habe. Die im Rahmen der Vollerwerbstätigkeit erzielten Einnahmen dürften deshalb bei der Berechnung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge in 2002 nicht berücksichtigt werden. Lege man nur die Bezüge der Monate Januar bis März und die Ausbildungsvergütung der Monate August bis Dezember 2002 zugrunde, so sei der anteilige Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 7 EStG in 2002 nicht überschritten worden. Gemäß BFH vom 19.10.2002 VI R 39/00 , BStBl. II 2002, 481 , befinde sich ein Kind, dass nach Abschluss oder nach Abbruch einer Ausbildung - wie hier - einer Vollerwerbstätigkeit nachgehe, weder in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten im Sinne vom § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b EStG noch erfülle es die Voraussetzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG.
Der Kläger beantragt sinngemäß, wie erkannt.
Der Beklagte beantragt (Blatt 19 GA), die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor (Blatt 19, 28 GA): Die Tochter sei während des ganzen Kalenderjahres 2002 berücksichtigungsfähiges Kind des § 32 Abs. 4 EStG, und zwar in den Monaten Januar bis März und August bis Dezember nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG und in den Monaten April bis Juli 2002 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. b bzw. lit. c EStG. Deshalb seien auch sämtliche in dem Kalenderjahr 2002 erzielten Einkünfte und Bezüge, einschließlich des Arbeitslohns aus der Vollerwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Diese würden den Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.188 Euro unstreitig überschreiten, weshalb für das gesamte Kalenderjahr 2002 der Anspruch auf Kindergeld entfallen sei. Mit Urteil vom 19.10.2001 VI R 39/00 habe der BFH lediglich eine...