Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Überschreitung der Klagefrist

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Organisationsverschulden liegt vor, wenn der Prozessbevollmächtigte es unterlassen hat, die eingehende Behördenpost durch eine/n Rechtsanwaltsfachangestellte/n daraufhin überprüfen zu lassen, auf welche Art und Weise die Bekanntgabe erfolgte.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

In der Sache ist unter den Beteiligten streitig, wie Glaswaren aus der Volksrepublik China zolltariflich einzureihen sind. Der Beklagte erließ am 13.02.2003 den Einfuhrabgabenbescheid auf Grund VO (EWG) Nr. 2913/92 - Zollkodex -, mit dem Einfuhrabgaben (Zolleuro) in Höhe von 972,96 Euro festgesetzt wurden. Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung vom 08.04.2004 wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 17.04.2004 zugestellt.

Am 18.05.2004 ging per Telefax die Klage ein, mit der sich die Klägerin gegen den angefochtenen Verwaltungsakt wendet. Nachdem der Beklagte die Nichteinhaltung der Klagefrist von einem Monat gerügt hat, stellte die Klägerin vorsorglich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Hierzu trägt sie vor: Sie bestreite, dass der Bescheid am 17.04.2004 zugestellt und bekannt gegeben worden sei. Eine Urkunde über die Zustellung liege nicht vor. Der Bescheid trage den Eingangsstempel vom 18.04.2004, wobei davon ausgegangen werde, dass der Bescheid in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten erst am 19.04.2004, einem Montag, eingegangen sei und irrtümlich den Eingangsstempel "18.04.2004" erhalten habe. Gegen eine Zustellung spreche der Umstand, dass auf dem Eingangsstempel nicht das Feld "ZU" angekreuzt sei, eine solche Ankreuzung werde in der Kanzlei von dem Mitarbeiter, der für das Aufbringen der Eingangsstempel jeweils zuständig sei, stets vorgenommen, wenn eine Zustellung erfolge. Die am 19.04.2004 in der Kanzlei tätig gewesenen zuverlässigen Auszubildenden (entweder Herr A oder Frau B) hätten den Eingangsstempel "18.04.2004" angebracht. Die Auszubildenden seien eingehend mit der Posteingangsbearbeitung vertraut gemacht worden und angewiesen, Briefumschläge, die eine Zustellung dokumentierten, an die dazugehörigen Schriftstücke zu tackern und Zustellvermerk und -datum auf dem Schriftstück auf Seite 1 aufzunehmen. Im Rahmen der Ausbildung seien sie fortlaufend überwacht worden, bis sie in der Lage gewesen seien, die Posteingänge korrekt zu bearbeiten. Ein ihnen unterlaufenes etwaiges Versehen bei der Prüfung der eingegangenen Briefsendungen sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Nach Anbringung der Eingangsstempel werde die Post an die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte D zur Verteilung auf die einzelnen Dezernate weitergeleitet. Über Frau D sei der angefochtene Bescheid in das Dezernat des Sachbearbeiters, Herrn Rechtsanwalt P, gelangt, und zwar dort zunächst zu dessen Sekretärin, Frau Rechtsanwalt- und Notarfachangestellte S, die seit 13 1/2 Jahren in der Kanzlei beschäftigt und äußerst zuverlässig und bewährt sei. Frau S habe den mit "18.04.2004" gestempelten Bescheid erhalten, und sodann den sich aus dem Eingangsstempel ergebenden Fristablauftermin (18.05.2004) notiert.

Die Klägerin beantragt, den Einfuhrabgabenbescheid vom 13.02.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage wegen Überschreitung der Klagefrist von 1 Monat unzulässig sei. Für die näheren Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz vom 31.03.2005 Bezug genommen. Nach seiner Auffassung stelle der von der Klägerin dargelegte Verlauf der Annahme und Stempelung von Briefen ein Organisationsverschulden dar.

Ein Hefter Verwaltungsvorgänge hat vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet durch Gerichtsbescheid (§ 90 a FGO).

Die Klage ist unzulässig. Die Unzulässigkeit folgt daraus, dass die Klagefrist (§ 47 FGO) von einem Monat nicht eingehalten worden ist und Wiedereinsetzung in vorigen Stand nicht gewährt werden kann.

1. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt gemäß § 47 Abs. 1 FGO einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 25 Verwaltungsakten) ist die Zustellung per Post am 17.04.2004 erfolgt. Als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO i.V.m. § 168 Abs. 1 ZPO) führt die Postzustellungsurkunde Beweis über die darin beurkundeten Tatsachen. Die Klägerin ist der beurkundeten Zustellungszeit nicht entgegen getreten. Den möglichen Gegenbeweis für eine Falschbeurkundung hat sie nicht erbracht. Dieser Beweis hätte geführt werden können, wenn die Klägerin den Briefumschlag der Postzustellung, auf dem nach dem beurkundeten Inhalt der Postzustellungsurkunde der Tag der Zustellung vermerkt worden ist, vorgelegt hätte. Mangels der Führung des Gegenbeweises ist von der Richtigkeit des beurkundeten Inhalts der Postzustel...

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