Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung, Einkommensteuer: Zurückstellung der Qualifizierung von Einkünften als solche aus gewerblicher Tierhaltung gem. § 15 Abs. 4 EStG bei vorläufiger Steuerfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Folgt das Finanzamt den Angaben eines Steuerpflichtigen, der mit ungewisser Einkünfteerzielungsabsicht eine Pferdepensionshaltung betreibt, und stellt vorläufig Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 EStG fest, kann es bei Beseitigung der Ungewissheit über das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht die Einkünfte als solche aus gewerblicher Tierhaltung gem. § 15 Abs. 4 EStG umqualifizieren. Die Entscheidung, ob gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 oder § 15 Abs. 4 EStG vorliegen, hat keinen Vorrang gegenüber der Frage, ob der Betrieb mit Einkünfteerzielungsabsicht unterhalten wird. Sie kann daher bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung zurückgestellt werden, solange das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ungewiss ist.

 

Normenkette

AO § 165 Abs. 1-2; EStG § 15 Abs. 4

 

Tatbestand

A. Die Klägerin wendet sich gegen die Umqualifizierung der vorher festgestellten voll verrechenbaren Verluste aus Gewerbebetrieb in nur beschränkt verrechenbare Verluste aus gewerblicher Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) in den Streitjahren 1999 bis 2005.

I.

1. a) Die Klägerin betreibt seit 1999 eine Pensionspferdehaltung. Wegen der Vermietungsschwierigkeiten und um ein tragfähiges Zukunftskonzept zu erhalten, sind die Gesellschafter im Jahr 2003 dazu übergegangen, Privatpferde zu erwerben und in den nicht vermieteten Boxen unterzustellen.

b) Die Klägerin erklärte in den Streitjahren in den eingereichten Feststellungserklärungen Verluste aus gewerblicher Tätigkeit (- 137.085,00 DM in 1999, - 355.181,00 DM in 2000; - 418.522,00 DM in 2001; -190.539,00 Euro in 2002; - 81.413,00 Euro in 2003; - 52.480,00 Euro in 2004 und -11.500,64 Euro in 2005).

Das Finanzamt (FA) A erließ die Feststellungsbescheide mit lediglich einer geringfügigen Abweichung in 1999 erklärungsgemäß aber sämtlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) sowie hinsichtlich der Einkünfte aus der Pensionspferdehaltung vorläufig gem. § 165 Abs. 1 AO, weil "z. Zt. die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann".

2. Aufgrund der Prüfungsanordnung vom 23.09.2005 fand in der Zeit vom 26.09.2005 bis zum 29.11.2005 eine die Jahre 1999 bis 2003 betreffende Betriebsprüfung durch das FA A statt.

In dem Bericht über die Außenprüfung vom 24.02.2006 hielt der Betriebsprüfer B unter Tz. 6 "Liebhaberei Pensionspferdehaltung" Folgendes fest (Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 10 - 12):

"Probleme:

Handelt es sich um vorübergehende unschädliche Anlaufverluste der ersten Geschäftsjahre, die im späteren Geschäftsverlauf ausgeglichen werden können? Oder stand von vornherein eindeutig fest, dass die Tätigkeit nicht geeignet war, nachhaltig Gewinne abzuwerfen? Sind die in 2003 durchgeführten Umstrukturierungen geeignet, den Betrieb nachhaltig zu sanieren?

(...)

Anlaufverlust?

Dauerverluste sind Verluste dann, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass die Tätigkeit, so wie sie von der Stpfl. betrieben wird, von vornherein nicht geeignet war, nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften.

Nach Ansicht der Bp ist es mindestens zweifelhaft, ob der Betrieb in absehbarer Zeit in der Lage ist, nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften. Die aufgelaufenen Verluste sind nicht durch erhöhte Investitionen und Vorleistungen entstanden, wie sie oft bei Betriebsbeginn typisch sind.

Verlustursachen:

Trotz optimaler Bedingungen für Reiter und Pferd und div. Werbemaßnahmen konnte die Auslastung der Boxen im Prüfungszeitraum nicht dauerhaft gesteigert werden.

(...)

Nach Abgabe der Einnahme-Überschußrechnung für 2006 ist endgültig zu prüfen, ob eine Einkünfteerzielungsabsicht besteht bzw. ob die Totalgewinnprognose positiv ausfällt.

Es ist dann zu untersuchen, ob der tatsächliche Betriebsverlauf der Planentwicklung entspricht. (...)

Das FA A erließ aufgrund der Feststellungen des Betriebsprüfers am 09.03.2006 Änderungsbescheide für die Jahre 1999 bis 2003. Die Bescheide ergingen wiederum vorläufig gem. § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, "da z. Zt. die Einkünfteerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann".

3. a) Aufgrund der Prüfungsanordnung vom 09.09.2008 fand in der Zeit vom 27.10.2008 bis zum 25.11.2008 eine die Jahre 2004 bis 2006 betreffende Betriebsprüfung durch das beklagte FA statt.

In ihrem Bericht über die Außenprüfung vom 26.11.2008 traf die Betriebsprüferin C lediglich Prüfungsfeststellungen zur Umsatzsteuer in den Jahren 2004 bis 2006; nicht jedoch im Hinblick auf die Einkünfteerzielungsabsicht (BpA Bl. 26 ff.).

b) aa) Auf einem Kontrollblatt Liebhaberei, in das sie zur Prüfungsvorbereitung die Höhe der erklärten Einnahmen und Verluste eingetragen und angekreuzt hatte, dass die Bescheide 2004 bis 2006 vorläufig ergangen waren, vermerkte ...

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