Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für gerichtliche Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen auch bei Rücknahme der Scheidungsklage. Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren können unabhängig von dem Verschulden des einzelnen Ehegatten auch dann als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, wenn die Scheidungsklage wieder zurückgenommen worden ist, die Scheidung damit nicht erfolgt ist und es folglich auch kein abschließendes Scheidungsurteil gegeben hat.
Normenkette
EStG 1976 § 33 Abs. 1-3
Tenor
1) Der angefochtene Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1976 vom 9. Dezember 1977 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. April 1978 werden geändert: die Jahreslohnsteuerschuld wird von … DM um 264 DM auf … DM herabgesetzt.
2) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3) Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4) Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
5) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Festsetzung der Jahreslohnsteuerschuld im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für das Streitjahr 1976 Ausgaben im Gesamtbetrag von 1 912,88 DM als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 Abs. 1, 2 Satz 1 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 5. September 1974 – EStG –, Bundesgesetzblatt I S. 2165) steuermindernd zu berücksichtigen sind, die den Klägern im Zusammenhang mit einem ohne Urteil beendeten Scheidungsverfahren entstanden sind.
Mit ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1976 machten die Kläger – neben einen unstreitigen Betrag in Höhe von 78 DM (Zuzahlung für eine Brille) – Scheidungskosten in Höhe von 1 434,18 und 738,50 DM als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Die mit dem Kläger seit 1965 verheiratete Klägerin hatte 1976 Scheidungsklage erhoben und im selben Jahr zurückgenommen. Mit dem angefochtenen Bescheid über dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 vom 9. Dezember 1977 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen – abgesehen von der Zuzahlung für die Brille, die sich jedoch bei der Einkommensermittlung nicht auswirkte (§ 33 Abs. 3 BStG) – ab, und setzte die Jahreslohnsteuer auf … DM fest. Gegen diesen am 9. Dezember 1977 zur Post gegebenen Bescheid legten die Kläger am 13. Dezember 1977 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17. April 1978 zurückwies.
Gegen die am 19. April 1978 zugestellte Einspruchsentscheidung und den zugrunde liegenden Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 haben die Kläger am 27. April 1978 Klage erhoben, mit der sie ihren Antrag auf Anerkennung der mit der angestrebten Scheidung verbundenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung weiterverfolgen. Die Kläger sind der Auffassung, daß diese Kosten zwangsläufig entstanden seien, da die Klägerin mit ihrem Scheidungsbegehren bereits vor Gericht gewesen sei. Die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen folge bereits aus dem Scheidungsersuchen, dem die Kläger sich bei den seinerzeit problematischen zwischenmenschlichen Beziehungen nicht hätten entziehen können. Darauf, ob das Scheidungsverfahren zu einem Urteil geführt habe, komme es nicht an.
Die Kläger beantragen – nach zunächst weitergehendem Antrag –,
den angefochtenen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1976 vom 9. Dezember 1977 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. April 1978 zu ändern und die Jahreslohnsteuerschuld von … DM um 264 DM auf … DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Er ist der Auffassung, die streitigen Aufwendungen seien den Klägern nicht zwangsläufig entstanden. Im Ehescheidungsverfahren sei das Urteil der die Zwangsläufigkeit auslösende Umstand. Im Streitfall sei es zu einem Ehescheidungsurteil aber nicht gekommen, so daß die im Zusammenhang mit dem zunächst angestrengten Verfahren entstandenen Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anzusehen seien. Der Umstand, daß es im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens nicht zu einer Scheidung der Ehe gekommen sei, lasse erkennen, daß die Kläger das Scheidungsverfahren – z. B. durch eine nochmalige vorprozessuale Besinnung auf die für bzw. gegen eine Scheidung sprechenden Umstände ihrer Lebensgemeinschaft – hätten vermeiden können. Die durch das Scheidungsverfahren entstandenen Aufwendungen seien daher den Umständen nach nicht notwendig und schon aus diesem Grunde nicht zwangsläufig gewesen. Die Kläger hätten vielmehr – ggf. aufgrund nicht ausreichender vorprozessualer Klärung der Scheidungsabsicht – ein unnötiges Gerichtsverfahren in Gang gebracht. Die streitigen Aufwendungen seien Folge des von den Klägern insoweit eingegangenen Prozeßführungsrisikos. Die Übernahme derartiger Risiken schließe die Zwangsläufigkeit de...