Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrags- und Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer
Leitsatz (amtlich)
Verzichtet ein Steuerpflichtiger auf die Berücksichtigung erklärter Werbungskosten, um nach Ablauf der Zweijahresfrist die Einkommensteuer-Veranlagung zu ermöglichen, und wird der darauf ergehende Bescheid bestandskräftig, so kann eine weitere Veranlagung nicht ohne weiteres erfolgen.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8; AO §§ 125, 172 ff.
Tatbestand
Streitig ist die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für 1994.
Der unverheiratete Kläger erzielte im Streitjahr ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Soldat. Sein Bruttoarbeitslohn betrug 34.620 DM. Die Einkommensteuererklärung für 1994 wurde am 26. Mai 1997 bei einem anderen Finanzamt abgegeben und ging am 30. Mai 1997 beim zuständigen Beklagten ein. Bei der Anfertigung hatte die Lohnsteuerhilfe 1 e.V., Annahmestelle X-Straße, mitgewirkt, für die der Beratungsstellenleiter der prozessbevollmächtigten Lohnsteuerhilfe 2 e.V. seinerzeit tätig war. Der Lohnsteuerhilfe 1 e.V., Annahmestelle X-Straße, sollte auch der Bescheid übersandt werden.
Mit Bescheid vom 5. Juli 1997 lehnte der Beklagte die Durchführung einer Veranlagung ab, weil die Abgabefrist für sogenannte Antragsveranlagungen von Arbeitnehmern gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG am 31. Dezember 1996 abgelaufen sei. Auf Grund der erklärten Werbungskosten (230 Fahrten je 32 Kilometer x 0,70 DM zuzüglich Arbeitsmittel in Höhe von 200 DM sowie Kontoführungskosten 30 DM = 5.382 DM) sowie der Sonderausgaben (Kirchensteuern 495 DM und Vorsorgepauschale 1.998 DM) ergab sich ein Einkommen von 26.745 DM, d.h. weniger als 27.000 DM.
Gegen den Ablehnungsbescheid wurde fristgemäß Einspruch eingelegt. Die Veranlagungsstelle schrieb sodann dem seinerzeit bevollmächtigten Lohnsteuerhilfeverein auf Grund von Ausführungen im Kommentar von Hartz Meeßen Wolf, die in Kopie zur Akte genommen wurden, dass eine Veranlagung durchgeführt werden könne, wenn an Stelle der nachgewiesenen Werbungskosten und Sonderausgaben die entsprechenden gesetzlichen Pauschalen beantragt würden. Hiermit erklärte sich der Kläger einverstanden. Am 16. Juli 1997 erging ein entsprechender Einkommensteuerbescheid, bei dem die Einkommensteuer in Höhe des Lohnsteuerabzuges festgesetzt wurde; lediglich bei der Kirchensteuer ergab sich eine geringfügige Erstattung. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass durch den Bescheid der Bescheid vom 5. Juni 1997 geändert werde.
Am 20. August 1997 - einem Mittwoch - beantragte der Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides und die Berücksichtigung der in der Erklärung geltend gemachten Werbungskosten, Fahrtkosten allerdings nicht in Höhe des gesetzlichen Pauschbetrages von 0,70 DM, sondern irrtumsbedingt lediglich in Höhe von 0,65 DM je Entfernungskilometer, sowie der Kirchensteuern. Am 15. September 1997 beantragte er unter Bezug auf Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13.3.1990 (16 K 101/86 L, EFG 1990, 554) und des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 6.2.1978 (II 35/78) zusätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwecks Durchführung der Änderung. Andere konkrete Verhinderungsgründe wurden nicht angegeben.
Der Beklagte sah den Änderungsantrag als Einspruch an und teilte am 8. Mai 1998 mit, dieser sei an die Rechtsbehelfsstelle abgegeben worden. Die Rechtsbehelfsstelle legte sodann mit Schreiben vom 20. Oktober 1998 ihre Rechtsauffassung dar, es sei leicht ersichtlich gewesen, dass nur eine Antragsveranlagung in Frage gekommen sei und eine Wiedereinsetzung ausscheide.
Nachdem der Kläger am 24. Oktober 1998 geantwortet hatte, die Umwandlung eines Antrages auf schlichte Änderung in einen Einspruch sei nicht zulässig und am selben Tage gegen den "Ablehnungsbescheid vom 20.10.98" Einspruch eingelegt hatte, lehnte der Beklagte am 26. November 1998 den Antrag auf Änderung des "Einkommensteuerbescheides 1994 vom 16.07.1998" (richtig: vom 16.07.1997) mit Rechtsmittelbelehrung ab und teilte mit, das Schreiben vom 20.10.1998 sei kein Verwaltungsakt und somit gem. § 347 AO nicht einspruchsfähig.
Am 29. November 1998 legte der Kläger gegen den "Steuerbescheid vom 26.11.1998" Einspruch ein. Nach weiterem Schriftwechsel wies der Beklagte die am 24. Oktober 1998 und am 29. November 1998 eingelegten Einsprüche gegen Ablehnung der Wiedereinsetzung und Ablehnung des Antrages auf schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheids 1994 mit Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 1999 als unbegründet bzw. unzulässig zurück und lehnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Klage wurde nicht erhoben.
Am 29. November 2001 ging eine am 27. November 2001 vom Kläger unterzeichnete Steuererklärung, bei deren Anfertigung der jetzt prozessbevollmächtigte und ebenfalls in der X-Straße residierende Lohnsteuerhilfeverein mitgewirkt hatte, beim Beklagten ein. Beigefügt war an Stelle der Lohnsteuerkarte, die bereits mit der am 26. Mai 1997 abgegebenen Erklärung zur Akte genommen worden war, eine am 13. November 20...