Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH V B 71/15)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliche Lieferung: Nachweis und Überprüfbarkeit des Lieferwegs
Leitsatz (amtlich)
1. Anstelle eines fehlenden Bestimmungsort-Belegs genügen die Rechnungs- und Firmensitzanschrift oder ein nachträglicher Stempelaufdruck nicht, wenn der Lieferweg unklar ist.
2. Bei einer Verbringungs-, Beförderungs- oder Übernahmeerklärung eines Abholers müssen dessen Abhol-Berechtigung und Identität leicht und einfach nachprüfbar sein, etwa durch Vollmacht, Ausweiskopie und Unterschriftsvergleich.
3. Die Vergewisserung des Unternehmers über den tatsächlichen Abnehmer geht hinaus über eine formale Prüfung von USt-Ident-Nummer, Registereintragung oder Ausweiskopie des nominellen Geschäftsführers (i. Ü. Anschluss an FG Hamburg, Urteil vom 05.02.20153 K 45/14).
Normenkette
AO §§ 370, 378; FGO §§ 76, 82, 96; GmbHG § 60; InsO §§ 35, 80, 203; MwStSystRL Art. 131, 138; StPO § 244; EWGRL 388/77 Art. 28c; UStG §§ 3-4, 6, 6a, 14, 14a, 15-16; UStDV §§ 17a, 17c
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 25.05.2016; Aktenzeichen V B 71/15) |
Tatbestand
(Wegen des Umfangs des [zu neutralisierenden] Urteils sind nur die Entscheidungsgründe zur Veröffentlichung bestimmt.)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet mit Ausnahme der Umsatzsteuer auf die vom FA angenommene zweite Rechnung an A.
Nur bezüglich letzterer Position ist die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung 2003 vom 17. September 2007 (oben A II 12) in Gestalt der Änderungsbescheide vom 14. Februar 2008 (oben A II 13) und vom 8. Juli 2008 (oben A II 18) sowie der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2011 (oben A II 19) rechtswidrig und wird die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO).
I. Innergemeinschaftliche Lieferungen
Zu Recht hat das FA die von der Klägerin ausgeführten Pkw-Lieferungen 2003, soweit sie als innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firmen B (unten 2), C (unten 3), A (unten 4), D (unten 5) und E (unten 6) fakturiert wurden, der Umsatzsteuer unterworfen und damit die Befreiung gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b i. V. m. § 6a UStG versagt (unten 1).
Lediglich die vom FA angenommene zweite Rechnung der Klägerin an A über einen Pkw und dessen Lieferung durch die Klägerin sind nicht ersichtlich und nicht zu besteuern (unten 4).
1. Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung
a) Befreiungstatbestand
aa) Eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung setzt eine im Inland steuerbare Lieferung voraus (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 1a UStG; Art. 28c Teil A Bstb. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -- Richtlinie 77/388/EWG --, jetzt Art. 138 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).
Gegenstand der Lieferung muss ein körperlicher Gegenstand sein, der vom liefernden Unternehmer, vom Abnehmer oder von einem vom liefernden Unternehmer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird. Eine solche Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 28c Teil A Bstb. a Richtlinie 77/388/EWG, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL). Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt eine innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteil vom 27.09.2007 Rs. C-409/04"Teleos", BStBl II 2009, 70).
bb) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind steuerfrei unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 1 Bstb. b und § 6a UStG.
Eine gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.
cc) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung im Streitzeitraum auf Art. 28c Teil A Bstb. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. nunmehr entsprechend Art. 138 Abs. 1 i. V. m. Art. 131 MwStSystRL).
Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung v...