Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

Der Eingangsstempel einer Behörde ist eine öffentliche Urkunde, die grundsätzlich als Beweis für Zeit und Ort des Eingangs eines Schreibens zu Grunde zu legen ist,

Das Einreichen eines Einspruchs bei einem falschen Finanzamt ist nicht fristwahrend.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb eines Monats zu begründen. Innerhalb der Monatsfrist muss ggf. auch vorgetragen werden, dass ein Angestellter gegen eine ausdrückliche Anweisung verstoßen hat.

Von einem Verschulden des Steuerberaters ist auszugehen, wenn er ein falsches Finanzamt als Boten für einen Einspruch benutzt und er sich nicht vorher ausreichend über etwaige Postlaufzeiten informiert.

 

Normenkette

AO §§ 110, 122, 355; FGO §§ 81-82

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin rechtzeitig Einspruch gegen den geschätzten Umsatzsteuerbescheid 2001 eingelegt hat bzw. ob ihr wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Durch Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 07.10.2003 (Dienstag) wurde eine Umsatzsteuer in Höhe von 4.421,65 Euro gem. § 162 AO festgesetzt, weil keine Steuererklärung eingereicht worden war. Dieser Umsatzsteuerbescheid erging ohne den Vorbehalt der Nachprüfung. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist u.a. folgender Hinweis enthalten:

"Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs beträgt einen Monat."

Durch das Schreiben vom 07.11.2003, welches laut Eingangsstempel des Beklagten am 11.11.2003 beim Beklagten eingegangen ist, legte die Klägerin gegen den Schätzungsbescheid Einspruch ein. Am 12.11.2003 ging beim Beklagten die Umsatzsteuererklärung 2001 der Klägerin ein, durch die sie eine Umsatzsteuererstattung in Höhe von 65.567,50 Euro erklärte.

Der Beklagte forderte durch Schreiben vom 17.11.2003 von der Klägerin Belege an. Dieser Forderung entsprach die Klägerin durch Schreiben vom 01.12.2003, welches am 05.12.2003 beim Beklagten einging.

Durch Schreiben vom 08.01.2004 teilte der Beklagte mit, dass der Einspruch erst am 11.11.2003 und damit einen Tag zu spät beim Beklagten eingegangen sei und gab Gelegenheit Wiedereinsetzungsgründe vorzutragen. Die Stellungnahme wurde bis zum 06.02.2004 erbeten.

Die Klägerin beantragte durch Schreiben vom 12.01.2004 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieses Schreiben ging am 15.01.2004 beim Beklagten ein. Zur Begründung trug sie folgendes vor:

"Sämtliche Steuererklärungen und Briefe an die verschiedenen Finanzämter in Hamburg werden von Herrn ...(A) persönlich an jedem Wochenende beim Finanzamt Hamburg-...(1) abgegeben. Dringende Briefe gibt Herr ...(A) auch an normalen Wochentagen beim Finanzamt ab.... Sicherheitshalber wurde von uns am 7.11.03 Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid eingelegt. Der Brief wurde von Herrn ...(A) an dem Wochenende beim Finanzamt Hamburg-...(1) abgegeben. Ein Eingangsstempel des Finanzamtes ...(1) mit dem Datum vom 7.11.03 müsste also auf dem Brief oder auf dem Briefumschlag sein.... Wir beantragen hiermit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 (1) AO weil der Einspruch fristgerecht beim Finanzamt Hamburg-...(1) eingereicht wurde bzw. ein Verschulden unserseits nicht vorliegt."

Der Beklagte lehnte durch Schreiben vom 30.01.2004 den Wiedereinsetzungsantrag ab, da das Finanzamt Hamburg-1 unzuständiges Finanzamt gewesen sei und daher selbst nach dem Vorbringen der Klägerin Verschulden vorliegen würde.

Hiergegen legte die Klägerin durch Schreiben vom 05.02.2004, welches am 06.02.2004 beim Beklagten eingegangen ist, Einspruch ein:

"Der Einspruch vom 07.11.2003 wurde an die richtige Adresse - Finanzamt Hamburg ...(2), Postfach ... - fristgemäß eingelegt. Der Brief wurde in den Postkasten ...(X-Straße) am 07.11.2003, drei Tage vor Fristablauf, persönlich von Herrn ...(A) eingeworfen um sicherzugehen, dass der Einspruch fristgemäß bei der zuständigen Behörde eingeht. Herr ...(A) ist seit dem 01.11.1995 als Steuerfachangestellter beschäftigt. Er ist ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter. Herr ...(A) hat die Poststelle ...(X-Straße) in Unkenntnis für zuständig gehalten, da er der Meinung war, dass das Finanzamt ...(1) in Hamburg für die Postverteilung zuständig ist. Bei einer normalen Laufzeit hätte mit rechtzeitigem Posteingang beim Finanzamt ...(2) gerechnet werden können."

Durch Einspruchsentscheidung vom 15.03.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 14.04.2005 eingegangene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, das Finanzamt Hamburg-1 besitze die Sonderzuständigkeit eines Verteilerfinanzamtes. Das ergebe sich aus § 17 Abs. 2 Satz 3 und 4 FVG in Verbindung mit der Verordnung über die Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 28.10.1997. Es würde daher die rechtzeitige Anbringung des Einspruchs bereits fristwahrend sein.

Es sei auch möglich, dass das ...

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