rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Freibetrag für Veräußerungsgewinne i.S.d. § 16 Abs. 4 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Mechanischer Übertragungsfehler bei Nichterfassung eines erklärten Veräußerungsgewinns. Der Freibetrag für Veräußerungsgewinne nach § 16 Abs. 4 EStG kann einem Steuerpflichtigen nur einmal in dessen Leben gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige den in einem früheren Veranlagungszeitraum bereits in Anspruch genommenen Freibetrag nicht in voller Höhe hat ausschöpfen können.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 4; AO § 129

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Korrektur eines Steuerbescheids nach § 129 AO und über die Berücksichtigung eines Freibetrags für Veräußerungsgewinne nach § 16 Abs. 4 EStG.

Der 1926 geborene Kläger ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Mit Kaufvertrag vom 23.07.1996 hatte er mit Wirkung zum 01.01.1997 einen Teilbetrieb ("Außenstelle D") seiner Steuerberater- und Wirtschaftsprüfersozietät für 50.000,00 DM an eine GmbH veräußert, an der er selbst mehrheitlich beteiligt war. Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 hatte er die Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe des Veräußerungsgewinns (= Veräußerungspreis) nach § 16 Abs. 4 EStG beantragt. Der Beklagte hatte diesen Freibetrag antragsgemäß mit dem Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 15.09.1999 berücksichtigt.

Im Streitjahr 2001 veräußerte der Kläger einen weiteren Teilbetrieb seiner Steuerberater- und Wirtschaftsprüfersozietät (in Hamburg) an die nämliche GmbH für 77.999,00 DM. Mit der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 beantragte er wiederum die Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 4 EStG.

Im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 24.04.2003 wurde weder ein Veräußerungsgewinn erfasst noch ein Freibetrag berücksichtigt.

Nach Erhalt einer (hier nicht streitigen) Mitteilung für 2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erließ der Beklagte am 13.05.2003 einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001. Mit diesem Bescheid wurden nicht nur die gesondert festgestellten Einkünfte des Klägers erfasst; berücksichtigt wurde auch - erstmalig - der ungeminderte Veräußerungsgewinn in Höhe von 77.999,00 DM. Zur Begründung der Änderungen wurde in dem Bescheid auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sowie auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verwiesen.

In der Steuerakte findet sich zu diesen Vorgängen eine Hinweismitteilung vom 30.04.2003; darin heißt es:

"Einkommensteuer-Veranlagung 2001

Abbruchhinweis

09/XXXX

Zur Kennzahl 22.24 wurde der Veräußerungsgewinn eingetragen, für den ein Veräußerungsfreibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist. Es wurde jedoch bereits ein Freibetrag in einem anderen Veranlagungszeitraum gewährt oder bei einer anderen Einkunftsart für diesen Steuerpflichtigen beantragt (§ 16 Abs. 4 Satz 2 EStG). Der Veräußerungsgewinn ist in der Kennzahl für die übrigen Veräußerungsgewinne einzutragen."

Handschriftlich ist auf der Hinweismitteilung vermerkt: "Bei Auswertung der Mitteilung fiel mir auf, dass der Veräußerungsgewinn nicht eingegeben wurde. Bei dessen Eingabe wurde der Abbruchhinweis (siehe oben) ausgeworfen". Der Hinweis ist mit einem Namenszeichen der Sachbearbeiterin und mit dem Datum 30.04.2003 versehen.

Gegen den geänderten Bescheid legte der Kläger am 15.05.2003 Einspruch ein und machte geltend, dass der Beklagte zu Unrecht einen Freibetrag in Höhe von 50.000,00 DM nicht berücksichtigt habe. Es sei zwar richtig, dass ihm bereits im Jahr 1997 ein Freibetrag von 50.000,00 DM gewährt worden sei. Damit sei jedoch die Grenze des für das Streitjahr geltenden Freibetrags von 100.000,00 DM nicht erreicht. Bei der Veräußerung der Restpraxis sei daher ein (Rest-)Freibetrag von 50.000,00 DM zu berücksichtigen. Den Umstand, dass der Veräußerungsgewinn erstmalig mit dem Änderungsbescheid erfasst worden war, griff der Kläger nicht auf.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 05.01.2005 zurück. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, der Veräußerungsgewinn in Höhe von 77.999,00 DM sei zunächst versehentlich nicht erfasst worden; die erneute Berücksichtigung eines Freibetrags sei nach § 16 Abs. 4 EStG ausgeschlossen.

Am 31. Januar 2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, eine Änderung des Bescheides sei ausgeschlossen. Der Beklagte habe sich zunächst auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berufen und erst in der Einspruchsentscheidung darauf verwiesen, dass der erklärte Veräußerungsgewinn versehentlich nicht erfasst worden sei. Tatsächlich komme eine Änderung nach § 129 AO nicht in Betracht. Ungeachtet dessen ergebe sich hinsichtlich des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG aus dem Gesetz nur, dass der Betrag von 100.000,00 DM nicht mehrmals gewährt werden dürfe. Gleichwohl stehe der Betrag von 100.000,00 DM jedem Steuerpflichtigen in voller Höhe zu. Dabei sei unerheblich, ob ein ganzer Gewerbebetrieb, ein Teilbetrieb oder ein Unternehmensteil aufgegeben oder veräußert werde. Er selber beantrage auc...

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