Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang einer repräsentativen Probe
Leitsatz (amtlich)
Zur Feststellung der Beschaffenheit einer Ware der Position 02 genügt die Entnahme und Begutachtung einer Stichprobe nicht; eine im Sinne des Art. 70 Abs. 1 ZK repräsentative Probe muss vielmehr wenigstens zwei vollständige Kartons der Warensendung umfassen.
Normenkette
ZK Art. 70 Abs. 1, Art. 71
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Beweiskraft einer im Rahmen der zollamtlichen Überwachung gezogenen Probe.
Mit Zollanmeldung vom 2.5.2000 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt Hamburg-... 1.666 Kartons "andere, Schlachtnebenerzeugnisse - hier: gefr. Hähnchenbrüste, gefr. Hähncheninnenfilets ohne Haut, ohne Knochen, gewürzt mit 1,2% Salz" unter der Warennummer 0210 9029 90 0 zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. Das Hauptzollamt Hamburg-... fertigte die Waren antragsgemäß ab und setzte mit Steuerbescheid vom 5.5.2000 unter Anwendung der angemeldeten Warennummer Einfuhrabgaben (Zoll-Euro und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt DM 23.275,65 fest.
Im Rahmen der Zollabfertigung öffnete das Hauptzollamt Hamburg-... einen Karton (Nr. ...1) und entnahm aus diesem eine Probe mit einem Gewicht von ca. 7 kg (vgl. Bl. 2 der Sachakte). In ihrem Einreihungsgutachten vom 27.6.2000 stellte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg fest, dass es sich bei der untersuchten Ware, die ein Eigengewicht von 3559,7 g aufweise, um "rohe, gefrorene Hähnchenbrust (Hälften) ohne Haut und Knochen, augenscheinlich ungewürzt" mit einem Kochsalzgehalt von 1% handele, die unter die Codenummer 0207 1410 00 0 einzureihen sei. Zur Begründung führte die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt aus, dass nach der zusätzlichen Anmerkung 7 zu Kapitel 2 der Nomenklatur rohes Fleisch dann als gesalzen oder in Salzlake im Sinne der Position 0210 gelte, wenn es tiefgehend und in allen Teilen gleichmäßig so gesalzen sei, dass es einen Gesamtkochsalzgehalt von 1,2% oder mehr aufweise, was auf die untersuchte Probe nicht zutreffe (vgl. Bl. 18 f der Sachakte).
Daraufhin erhob das beklagte Hauptzollamt unter Bezugnahme auf das Einreihungsgutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt mit Steueränderungsbescheid vom 18.10.2001 Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt DM 56.122,88 nach. In ihrem hiergegen gerichteten Einspruch wandte die Klägerin u.a. ein, dass dem Einreihungsgutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt nicht zu entnehmen sei, nach welcher wissenschaftlichen Methode die Probe untersucht worden sei. Darüber hinaus rügte sie den Umfang der im Rahmen der Zollabfertigung gezogenen Probe und führte insoweit aus, dass bei einer Gesamtmenge von 25.000 kg Fleisch, bei dem es sich im Übrigen um ein inhomogenes Naturerzeugnis handele, eine Probenmenge von 7 kg nicht repräsentativ sei. Jedenfalls hätte das beklagte Hauptzollamt auch die Rückstellprobe untersuchen müssen, um ein aussagefähigeres Untersuchungsergebnis zu erhalten.
Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2002 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei bei einer Ware, die nicht als in sich unterschiedlich beschaffen angemeldet werde, die Entnahme und Untersuchung einer einzigen Probe ausreichend. Da die Klägerin nicht angegeben habe, dass die von ihr angemeldete Ware in sich unterschiedlich beschaffen sei, sei im Streitfall die Untersuchung einer einzigen, nicht notwendig repräsentativen Stichprobe ausreichend. Vor diesem Hintergrund sei es auch unerheblich, dass die Rückstellprobe zwischenzeitlich vernichtet worden sei und deshalb nicht mehr untersucht werden könne. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die am 24.10.2002 zur Post gegeben worden ist, Bezug genommen.
Mit ihrer am 25.11.2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie meint unter Hinweis auf zwei zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen des Sächsischen Finanzgerichts (Urteile vom 21.5.2003 - 4 K 2400/02 und 4 K 1857/98 -), das beklagte Hauptzollamt habe ihr nach Vernichtung der Rückstellprobe jede Möglichkeit genommen, die der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen zu überprüfen, was sie in ihrem Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 EMRK und in ihrem Recht auf wirksamen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG verletze. Der Europäische Gerichtshof habe mit Urteil vom 10.4.2003 - C-276/01 - in Bezug auf eine amtliche Lebensmittelüberwachung entschieden, dass das Recht auf ein Gegengutachten Teil des durch Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens sei.
Die Klägerin beantragt, den Steueränderungsbescheid vom 18.10.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23.10.2002 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es verteidigt die angegr...