Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Einfuhrabgaben
Leitsatz (amtlich)
Die zollbegünstigte Einfuhr der Textilien aus Jamaika erfolgte auf der Grundlage des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens unter Vorlage der Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1.
Zu "Ursprungserzeugnissen" gehören Bekleidung und Bekleidungszubehör aus Gewirken und Gestrickten des Kapitels 61 zu den begünstigten Waren, wenn in einem der Vertragsstaaten der Gemeinschaft eine ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft stattgefunden hat. Es muss sich um die Herstellung aus Garnen oder Fasern handeln.
Gemäß Art. 32 Abs. 2 des Protokolls Nr. 1 senden die Zollbehörden bei bestehenden Zweifeln die Warenverkehrsbescheinigung an die Zollbehörden des Ausfuhrlandes mit dem Ersuchen um nachträgliche Prüfung zurück. Diese erteilen gemäß Art. 32 Abs. 5 des Protokolls Nr. 1 das Ergebnis ihrer Prüfung den Zollbehörden, die um die Prüfung ersucht haben, mit.
Nach Art. 32 Abs. 5 des Protokolls Nr. 1 muss sich aus der Mitteilung des Prüfungsergebnisses der Zollbehörden des Ausfuhrlandes aber eindeutig feststellen lassen, ob die Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse der AKP-Staaten angesehen werden können. Eine derart eindeutige Feststellung ist aber mangels Bezugnahme auf die jeweiligen Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1 und mangels sicherer und konkreter Erkenntnisse über die Herkunft bzw. den Ursprung der von den jeweiligen Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1 erfassten Waren gar nicht möglich.
Art. 32 Abs. 6 des Protokolls Nr. 1 führt auch nicht etwa zur Ungültigkeit der Warenverkehrsbescheinigungen, vielmehr bleibt deren Gültigkeit zunächst bestehen. Die Verwaltung des Einfuhrlandes wird lediglich ermächtigt, die Präferenzbehandlung abzulehnen. Keinesfalls ermächtigt diese Vorschrift die Zollbehörden der Gemeinschaft, Warenverkehrsbescheinigungen ihrerseits für ungültig zu erklären oder auch nur als ungültig anzusehen.
Ist die Präferenz aber bereits gewährt worden, kommt eine Rückforderung nur in Betracht, wenn die Warenverkehrsbescheinigung von den Zollbehörden des Ausfuhrlandes wirksam für ungültig erklärt worden ist.
Normenkette
ZK Art. 220 Abs. 2 Buchst. b; ZK Art 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben.
Die Klägerin gehört zur A Firmengruppe mit Hauptsitz in B. Nach den Feststellungen des Beklagten sind Inhaber dieser Firmengruppe Frau C und ihr Ehemann C, beide wohnhaft in B. Die Firmengruppe ist seit über ... Jahren auf die vollkonfektionierte Strickwarenherstellung spezialisiert. Unter anderem in Jamaika hat sie Firmen gegründet, in denen aus chinesischen Vormaterialien Fertigtextilien hergestellt und in die Europäische Union ausgeführt werden. Eine dieser Firmen war die E Limited (E). Von der E bezog die Klägerin im Jahr 2002 acht Sendungen Strickpullover und -jacken, die sie in den freien Verkehr der Europäischen Union überführen ließ. Bei den Einfuhrabfertigungen wurde als Ursprungsland jeweils Jamaika angegeben. Unter Vorlage der Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1 wurde die Gewährung der Zollpräferenz nach dem AKP-EG-Partnerschaftsabkommen (Amtsblatt der EG, L 317 vom 15.12.2000) beantragt, die Zollpräferenz mit dem Zollsatz "frei" wurde antragsgemäß gewährt.
Die Europäische Kommission, Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), vermutete nach der Auswertung chinesischer Ein- und Ausfuhrstatistiken, dass es beim Import von Textilien aus Jamaika in die Union zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Aus China nach Jamaika verbrachte Kleidungsstoffe seien überwiegend entweder ohne oder ohne eine nach dem AKP-EG-Partnerschaftsabkommen genügende präferenzrechtliche Be- oder Verarbeitung zollfrei eingeführt worden, weil es sich um Textilwaren des Kapitels 61 gehandelt habe, die nicht, wie es nach dem Protokoll Nr. 1 über die Bestimmung des Begriffes "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (Amtsblatt der EG, L 317/94 vom 15.12.2000) i.V.m Anhang II zu diesem Protokoll erforderlich sei, aus Garn, sondern aus vorgefertigten Stoffen hergestellt worden seien.
Diese Vermutung war Anlass für eine Missionsreise im März 2005 nach Jamaika, in der alle im Zeitraum 2002 bis 2004 ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen EUR. 1 überprüft wurden. Hierüber wurde ein Reisebericht vom 21.06.2005 verfasst, nach dem sich die Vermutungen bestätigt haben. Darin wird ausgeführt, dass die Gruppe der betroffenen jamaikanischen Firmen im Hinblick auf die Erteilung der betreffenden Zeugnisse falsche Angaben gegenüber den Behörden gemacht hätte, und dass der Betrug wegen der professionellen Art und Weise, mit der die Firmen den Warenursprung der in die Freizone verbrachten Waren verschleiert hätten, für die jamaikanischen Behörden nur schwer aufzudecken gewesen sei. Am 23.03.2005 ...