Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Umsätzen eines persischen Restaurants anhand der Richtsatzsammlung
Leitsatz (amtlich)
1. Kann die Buchführung der Besteuerung wegen gravierender Mängel nicht zugrunde gelegt werden und fehlen auch die erforderlichen Daten für eine Geldverkehrsrechnung oder eine Nachkalkulation, kann das Gericht im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis eine Schätzung anhand der Richtsatzsammlung des BMF als externem Betriebsvergleich vornehmen.
2. Der Ansatz eines gewichteten Mittelwertes des Rohgewinnaufschlagsatzes von 230 % (Bandbreite von 186 % bis 376 % in 2014 und 2015 bzw. bis 400 % in 2013) kommt bei einem persischen Spezialitätenrestaurant in Betracht, wenn das Restaurant unter baulichen Mängeln litt, die Verkehrsanbindung durch Straßenbauarbeiten beschränkt war und ein erheblicher Teil der Umsätze im Außer-Haus-Verkauf erwirtschaftet wurde.
Normenkette
AO § 162; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen Änderungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 - die Streitjahre -, welche die Ergebnisse einer im Betrieb des Klägers durchgeführten Außenprüfung umsetzen.
Der Kläger betrieb von 2006 bis Anfang 2019 ein persisches Restaurant in der X-Straße in Hamburg. Für die Streitjahre ermittelte er einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € (2013), ... € (2014) sowie ... € (2015).
Im Rahmen der zwischen dem 12. September 2017 und 7. Juni 2018 durchgeführten Außenprüfung wurden erhebliche Mängel in der Buchführung festgestellt. Der Kläger habe im Prüfungszeitraum eine elektronische Kasse eingesetzt, könne jedoch keine elektronischen Daten vorlegen. Für die Abrechnung der für die Haus-Umsätze genutzten Sharp-Kasse habe lediglich die Bedienungsanleitung vorgelegt werden können. Die vorgelegten Z-Bons enthielten keine fortlaufenden Z-Bon-Nummern, keine Storni und keinen Grand-Total-Zähler. Für die Lieferumsätze lägen teilweise monatliche erstellte Rechnungslisten vor. Die Rechnungslisten seien mittels einer veränderbaren Excel-Tabelle erfasst worden (Hinsichtlich weiterer festgestellter Mängel wird auf den Bericht der Außenprüfung vom 7. Juni 2018 verwiesen). Insgesamt kam die Außenprüferin zu dem Ergebnis, dass die Buchführung vollständig zu verwerfen sei und die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen seien.
Die Höhe der Hinzuschätzung stützte sich auf die Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen für die Streitjahre Es wurde jeweils den Höchstsatz (2013: 400 %, 2014 und 2015: 396 %) zugrunde gelegt; dies führte zu folgenden Hinzuschätzungsbeträgen:
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2013 |
2014 |
2015 |
Summe |
Wareneinsatz (netto) |
... € |
... € |
... € |
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RGAS |
400 % |
376 % |
376 % |
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Umsatz nach Bp |
... € |
... € |
... € |
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Umsatz vor Bp |
... € |
... € |
... € |
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Hinzuschätzung |
... € |
... € |
... € |
... € |
Der so kalkulierte Mehrumsatz wurde zur Berechnung der Umsatzsteuer auf Umsätze zum ermäßigten Steuersatz und zum Regelsteuersatz in Anlehnung an die erklärten Umsätze wie folgt aufgeteilt, daraus ergaben sich folgende Hinzuschätzungsbeträge:
Mehrumsätze - Aufteilung 7 % / 19 % |
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2013 |
2014 |
2015 |
Mehr-Umsatz 7 % |
... € |
... € |
... € |
Mehr-USt 7 % |
... € |
... € |
... € |
Mehr-Umsatz 19 % |
... € |
... € |
... € |
Am 27. Juli 2018 erließ der Beklagte geänderte Bescheide für die Streitjahre über Umsatzsteuer, Einkommensteuer sowie den Gewerbesteuermessbetrag, in welchen er die streitigen - sowie andere nicht streitgegenständliche - Prüfungsfeststellungen umsetzte.
Dagegen richteten sich die Einsprüche vom 30. August 2018. Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte der Beklagte am 18. Oktober 2018 ab.
Auf den am 29. Oktober 2018 bei Gericht gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. Februar 2020 die Vollziehung der Einkommen-, Gewerbesteuermessbetrags- und Umsatzsteuerbescheide 2013 bis 2015, ausgesetzt, soweit ein Rohgewinnaufschlagsatz von mehr als 257 % zugrunde gelegt worden ist (vgl. Beschluss des Senats vom 4. Februar 2020, 2 V 118/18).
Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 21. Februar 2020 eine Einspruchsentscheidung, in der er der Entscheidung des Senats folgend den Einsprüchen des Klägers teilweise stattgab, die Einsprüche jedoch im Übrigen als unbegründet zurückwies. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats wurden Gewinne in Höhe von ... € (2013), ... € (2014) sowie ... € (2015) der Besteuerung zu Grunde gelegt.
Gegen diese (teil-)ablehnende Einspruchsentscheidung hat der Kläger am 19. März 2020 Klage erhoben, die er unter Einbeziehung seines Vorbringens im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wie folgt begründet:
Auch wenn eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bestehen sollte, sei der vom Gericht angenommene Rohgewinnaufschlagsatz (RGAS) unrealistisch hoch. Zwar habe der Senat in seiner Entscheidung bereits berücksichtigt, dass es sowohl erhebliche räumliche Mängel in dem Restaurant gegeben habe, die zu einer Mietminderung von bis zu 70 % berechtigt hätten, als auch Einschränkungen aufgrund von Straßenbauarbeiten bestanden hätten. An...