Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzgerichtsordnung, Abgabenordnung: Übergang von USt-Nachschau zu USt-Sonderprüfung
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchführung einer USt-Sonderprüfung, wenn aus dieser Feststellung ein strafrechtliches Verwertungsverbot in einem bereits eingeleiteten Steuerstrafverfahren folgen kann und eine Klärung nicht über eine Anfechtung einer Prüfungsordnung bzw. einer Mitteilung des Übergangs zu einer Außenprüfung möglich ist.
2. Die Durchführung einer USt-Sonderprüfung ohne Prüfungsanordnung gem. § 196 AO oder Mitteilung eines Übergangs zu einer Außenprüfung gem. § 27b Abs. 3 UStG ist rechtswidrig.
3. Zu nicht nachvollziehbaren Gründen für einen Übergang zu einer Außenprüfung gem. § 27b Abs. 3 UStG.
Normenkette
FGO § 41; UStG § 27b; AO § 196
Tatbestand
Die Klägerin betreibt als Franchisenehmerin zwei X-Filialen in A und eine X-Filiale in Hamburg-1. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die B Verwaltungs-GmbH. Die Umsätze aus den Gastronomiebetrieben wurden und werden ausschließlich von der Klägerin zur Umsatzsteuer erklärt.
Der Finanzverwaltung lagen aus einem Sammelauskunftsersuchen bei dem Betreiber eines Internetbestellportals Umsatzdaten über Bestellvorgänge einzelner Food-Lieferanten für das Jahr 2014 vor, unter anderem betreffend die Klägerin. Am Morgen des 25.01.2017 wurde in den Filialen der Klägerin eine Umsatzsteuer-Nachschau gemäß § 27b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durchgeführt mit dem Umfang: Feststellung des aktuellen Kassensystems, Überprüfung der Einzelaufzeichnungspflicht ab 01.01.2017. Nach Befragung zum verwendeten Kassensystem überreichten die Betriebsprüfer die Anordnung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gemäß § 196 der Abgabenordnung (AO) vom 20.01.2017 betreffend die Firma B Verwaltungs-GmbH. Prüfungsgegenstand war danach der Besteuerungszeitraum 2014. Es wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin durchgeführt; im Zuge dieser Prüfung wurden die GDPdU-Daten für 2014 aus dem Kassensystem ausgelesen und kopiert.
Die Klägerin legte gegen die Durchführung der Umsatzsteuer-Nachschau mit Schreiben vom 26.01.2017 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 02.02.2017 als unzulässig verworfen wurde.
Gegen den Geschäftsführer der Klägerin wurde im Hinblick auf festgestellte Differenzen zwischen dem vorliegenden Kontrollmaterial und den Aufzeichnungen der Klägerin ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Am 29.03.2017 wurden im Zuge dieses Verfahrens Durchsuchungen durchgeführt.
Die Klägerin hat am 06.06.2017 Klage erhoben.
Sie ist der Auffassung, die Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin am 25.01.2017 sei rechtswidrig gewesen. Gegenüber der Klägerin habe es weder eine schriftliche Prüfungsanordnung gemäß § 196 AO noch eine Mitteilung über den Übergang zu einer Außenprüfung gemäß § 27b Abs. 3 UStG gegeben. Zudem sei nicht erkennbar, aufgrund welcher konkreten Feststellungen ausgehend von dem Gegenstand der Umsatzsteuer-Nachschau Anlass zur Durchführung einer Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer 2014 gegeben gewesen sein sollte. Vielmehr sei von vornherein beabsichtigt gewesen, unter dem Vorwand einer Umsatzsteuer-Nachschau ohne die ansonsten erforderliche vorherige Ankündigung eine Außenprüfung unmittelbar anschließen zu können. Im Hinblick auf das eingeleitete Steuerstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin ergäbe sich aus der Rechtswidrigkeit der durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung unter Umständen ein strafrechtliches Verwertungsverbot. Hieraus folge das Feststellungsinteresse der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die am 25.01.2017 bei ihr durchgeführte Außenprüfung rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte geht ebenso wie die Klägerin von der Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin aus und hält diese für rechtswidrig.
Für nähere Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beteiligten in ihren Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
Dem Gericht haben die Umsatzsteuerakten I und die Bp-Arbeitsakte I zur die Klägerin betreffenden Steuernummer .../.../... vorgelegen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und der Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 79a Abs. 3, Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO.
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist gemäß § 41 FGO zulässig. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage) und die Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
Die Klägerin hat ein Interesse daran, die Rechtswidrigkeit der...