Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung/Einkommensteuergesetz: Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist / Keine Schätzung von Betriebsausgaben bei Vorlage von Scheinrechnungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist gem. § 110 AO ist ausgeschlossen, wenn sich aus dem Tatbestand der Einspruchsentscheidung ergibt, dass die Frist um 3 Tage versäumt worden ist und dann nicht innerhalb von 4 Wochen nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung der Wiedereinsetzungsantrag gestellt wird. Der Umstand, dass das FA mit der Einspruchsentscheidung Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist gewährt hat, schließt ein Verschulden insoweit nicht aus.
2. Erweisen sich die für die Geltendmachung von Betriebsausgaben vorgelegten Rechnungen als Scheinrechnungen, besteht kein Anlass für die Schätzung von Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige insoweit keine Angaben zu den Empfängern (hier Subunternehmer oder Hilfsarbeiter) macht.
Normenkette
AO § 110 Abs. 1-2; EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist in formeller Hinsicht, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist erfüllt sind. Materiell besteht Streit über die Höhe der Betriebsausgaben.
Der Kläger lebt seit 1989 in Deutschland und ist hier seit 1999 gewerblich tätig. Für die Streitjahre erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.272 € (Einnahmen lt. Gewinnermittlung 28.887,90 €, Ausgaben 14.615,87 €) für 2003 und in Höhe von 17.132 € (Einnahmen lt. Gewinnermittlung 64.391,80 €, Ausgaben 47.275,32 €) für 2004. Das seinerzeit zuständige Finanzamt A verzichtete gem. § 156 der Abgabenordnung (AO) auf die Festsetzung von Einkommensteuer. Im Januar 2008 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger für 2003 eingeleitet und im Juni 2008 auf 2004 erweitert. Aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung berücksichtigte der Beklagte mit Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden vom 12.10.2009 für 2003 einen Gewinn von 74.110 € und für 2004 von 84.459 €. Die Bescheide waren an den Kläger persönlich adressiert. Mit beim Beklagten am 15.12.2009 eingegangenem Schriftsatz legitimierte sich der jetzige Verfahrensbevollmächtigte für den Kläger und beantragte Aussetzung der Vollziehung, weil "über die Steuerfestsetzungen für 2003 und 2004" noch streitig zu verhandeln sein werde und erbat eine Frist für die Sachverhaltsaufklärung bis zum 15.01.2010.
Mit beim Beklagten am 18.01.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 12.01.2010 beantragte der Klägervertreter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfristen. Der Kläger habe sich seit mehreren Jahren von Dipl. Kaufmann B, ..., vertreten lassen, ohne zu wissen, dass dieser kein öffentlich bestellter Steuerberater gewesen sei. Dieser habe die buchhalterischen Aufgaben erfüllt und den Kläger auch in allen steuerlichen Angelegenheiten beraten und dabei den Eindruck erweckt, hierzu auch berechtigt zu sein. Diesen habe der Kläger beauftragt, Einsprüche gegen die Bescheide einzulegen. Erst am 15.12.2009 habe der Kläger auf energisches Nachfragen erfahren, dass Einsprüche nicht eingelegt worden seien. In der Sache beantragte der Klägervertreter die Änderung der Bescheide, weil bislang nicht berücksichtigte Betriebsausgaben in Ansatz zu bringen seien. Die von der Steuerfahndung festgestellten Aufträge habe der Kläger nicht alleine ausführen können und hierfür Subunternehmer eingesetzt. Erst jetzt habe der Kläger Rechnungen von Subunternehmern gefunden, die noch zu berücksichtigen seien. Für 2003 berief sich der Kläger auf drei Rechnungen in Höhe von insgesamt 50.112,00 €, für 2004 auf drei Rechnungen in Höhe von insgesamt 48.520 ,00 €.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2011 gewährte der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und setzte die Steuer niedriger fest unter Zurückweisung der Einsprüche im Übrigen. Zwar seien die vorgelegten Rechnungen der Firma C als Scheinrechnungen zu qualifizieren, es bestünden aber gewisse Unsicherheiten beim Betriebsausgabenabzug. Für 2004 seien daher weitere Betriebsausgaben in Höhe von 9.000 € zu berücksichtigen. Am 05.07.2011 hat der Kläger Klage erhoben.
Hinsichtlich der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger während des Klageverfahrens am 22.05.2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist beantragt, nachdem im Erörterungstermin vom 25.04.2012 angesprochen worden war, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 18.01.2010 verspätet eingegangen sei. Zur Begründung trägt der klägerische Verfahrensbevollmächtigte vor, er habe davon ausgehen können, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 12.01.2010, der ausweislich des Postausgangsbuchs am 12.01.2010 abgesandt worden sei, innerhalb der gesetzlichen Frist beim Finanzamt eingehen werde. In seinem Büro sei sichergestellt, dass die Post an den Tagen, wie im Posteingangsbuch eingetragen, abgesandt werde.
In der Sache trägt der K...