Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 46/20)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhrumsatzsteuer; Tabaksteuer: Zur Entstehung von Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer beim Einfuhrschmuggel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die jüngere Rechtsprechung des EuGH zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer (insbesondere die Rechtssache Federal Express) ist auch auf das vorschriftswidrige Verbringen von Waren, die für einen anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, anwendbar, wenn diese im Erhebungsmitgliedstaat beschlagnahmt werden.

2. Einfuhrumsatzsteuer entsteht nur, wenn eine Ware vor der Sicherstellung im Erhebungsgebiet dort in den Wirtschaftskreislauf der EU eingegangen ist. Dies setzt eine über den Transit hinausgehende Behandlung der Ware voraus, die zur Entstehung eines steuerbaren Umsatzes geführt hat oder führen würde.

3. Zigaretten, die nach 50 Minuten im Transit in einen anderen Mitgliedstaat im Erhebungsmitgliedstaat beschlagnahmt wurden, sind nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen.

4. Zigaretten, die im Erhebungsmitgliedstaat zwischengelagert wurden, sind dort in den Wirtschaftskreislauf eingegangen, auch wenn sie zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt in einen anderen Mitgliedstaat weitertransportiert werden sollten.

5. Zur Übernahme der tatsächlichen Feststellungen eines strafgerichtlichen Urteils.

6. Von der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer ist nicht in sinngemäßer Anwendung der Art. 867a Abs. 1 ZK-DVO undArt. 98 Abs. 1 Buchst. a ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG abzusehen.

7. Die jüngere Rechtsprechung des EuGH zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer (insbesondere die Rechtssache Federal Express) ist nicht auf die Entstehung der Tabaksteuer anwendbar. Die Tabaksteuer entsteht auch dann, wenn ein Eingang der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union nur unmittelbar bevorsteht.

8. Von der Erhebung der Tabaksteuer ist nicht in sinngemäßer Anwendung der Art. 867a Abs. 1 ZK-DVO undArt. 98 Abs. 1 Buchst. a ZK i.V.m. § 21 Satz 1 TabStG 1992 abzusehen.

 

Normenkette

ZK Art. 98 Abs. 1 Buchst. a, Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b, Abs. 3 Anstrich 2; ZKDV Art. 867a Abs. 1; TabStG § 21 S. 1; UStG § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 Hs. 1; StGB § 27; EWGRL 388/77 Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2-3, Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchst. d; MwStSystRL Art. 2 Buchst. d, Art. 14, 24, 30 Abs. 1, Art. 60, 61 Abs. 1; EWGRL 12/92 Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer auf eingeschmuggelte Zigaretten.

Ab 2006 führten die Zolldirektion A und die tschechische Polizei strafrechtliche Ermittlungen insbesondere gegen den Kläger und die später vor dem Landgericht (LG) Hamburg Mitangeklagten B und C durch. Hierbei wurden ab November 2006 auch Telefonanschlüsse der genannten Personen sowie der von ihnen geführten Unternehmen überwacht. Die tschechischen Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, weil die Einfuhr unverzollter Zigaretten nach Tschechien nicht nachweisbar war.

Auf Anfrage der Staatsanwaltschaft Hamburg vom Mai 2009 übermittelten die tschechischen Behörden im September 2009 verschriftete Aufzeichnungen von Telefongesprächen sowie Audio-CDs mit insgesamt rund 45.000 abgehörten Telefongesprächen zu illegalen Containertransporten vom 8. September 2007, 16. November 2007 und 25. März 2008.

Mit Einfuhrabgabenbescheid XXX-1 vom 16. November 2011 setzte der Beklagte € ... Zoll, € ... Einfuhrumsatzsteuer und € ... Tabaksteuer, mithin insgesamt € ..., gegen den Kläger fest. Er habe in zwei Fällen vorschriftswidrig Zigaretten über die Freizone Hamburg in das Zollgebiet der Europäischen Union (EU) verbracht.

Zusammen mit anderen Personen, insbesondere den gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen C und B, habe der Kläger am 16. November 2007 den Transport des Containers YY-1 von Hamburg nach Tschechien organisiert. Hinter einer Tarnladung Socken hätten sich insgesamt 8,45 Mio. Zigaretten (1,43 Mio. Z-1, 5,03 Mio. Z-2 und 1,99 Mio. Z-3) befunden. Mit Hilfe eines gefälschten Versanddokuments T1 sei es gelungen, den Freihafen zu verlassen, ohne dass die zuvor angeordnete Überprüfung des Containers in der Containerprüfanlage durchgeführt worden sei. Nach Verlassen der Freizonengrenze sei der Container sichergestellt worden. Für die Zigaretten in diesem Container seien € ... Zoll, € ... Einfuhrumsatzsteuer und € ... Tabaksteuer entstanden.

Am 20. März 2008 habe der Kläger mit weiteren Beteiligten den Import des Containers YY-2 organisiert, in dem sich statt der in den Frachtpapieren angegebenen Textilien 8.609.200 Zigaretten (5.249.600 Z-4, 130.000 Z-5, 3.219.600 Z-2 und 10.000 Z-6) befunden hätten. Am 25. März 2008 sei der Container beim Zollamt D abgefertigt und zu einem Lager in der X-Straße in E transportiert worden, wo die Zigaretten sichergestellt und die bei der Abladung beteiligten Personen festgenommen worden seien. Für die Zigaretten in diesem Container seien € ... Zoll, € ... Einfuhr...

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