Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Inländischer Wohnsitz eines Kindes, welches ab der 1. Klasse in Tunesien zur Schule geht und in Tunesien bei der Großmutter lebt

 

Leitsatz (amtlich)

Werden Kinder bereits zu Beginn des 1. Schuljahres zu der Großmutter nach Tunesien geschickt, um dort mindestens zehn Jahre zur Schule zu gehen, genügt es nicht für die Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes, wenn die Kinder die Eltern nur in den Sommerschulferien für ca. zwei bis drei Monate im Jahr besuchen, wenn es keine besonderen Indizien für eine feste soziale Bindung an Deutschland gibt.

 

Normenkette

EStG §§ 62-63

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für die vier ältesten Kinder der Klägerin für den Zeitraum ab Januar 2020 aufgehoben hat. Insbesondere ist streitig, ob die vier ältesten Kinder der Klägerin ihren inländischen Wohnsitz beibehalten haben.

Die nicht erwerbstätige Klägerin hat fünf Kinder. Diese wurden am ... 2007, ... 2008, ... 2010, ... 2012 und am ... 2016 in Hamburg geboren. Sowohl die Klägerin als auch ihre Kinder haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Die vier ältesten Kinder gehen jeweils seit der 1. Klasse in Tunesien zur Schule, d.h. seit 2012, seit 2013, seit 2015 und seit 2017.

Die Klägerin hat die Schulbehörde jeweils über den Wegzug ihrer Kinder informiert und in allen vier Fällen eine Befreiung von der Schulpflicht beantragt. Von der Hamburger Schulbehörde wurden entsprechende Bescheinigungen ausgestellt. Während der Schulzeit leben und lebten die Kinder im Haus ihrer Großmutter in Tunesien und wurden von dieser versorgt. In dem selben Haus wohnt auch der Bruder der Klägerin mit seiner Ehefrau und seinen vier Töchtern.

In den letzten Jahren verbrachten die Kinder Teile der tunesischen Schulferien bei ihren Eltern in Deutschland. Die Klägerin besuchte ihre Kinder mindestens einmal im Jahr in Tunesien. Die Klägerin wohnt zusammen mit ihrem berufstätigen Ehemann in einer 65,24 qm großen Zweieinhalbzimmerwohnung. Außer den vier in Tunesien lebenden Kinder hat die Klägerin noch einen am ... 2016 geborenen Sohn. Dieser geht in Hamburg in einen Kindergarten. Wenn die vier Kinder aus Tunesien nach Hamburg kommen, teilen sich alle fünf Kinder das kleine (halbe) Zimmer. In diesem Zimmer stehen 2 Etagenbetten.

In der Kindergeldakte befindet sich keine Mitteilung der Klägerin über den Wegzug der Kinder. Auf Grund einer am 21. April 2017 bei der Familienkasse eingegangenen anonymen Anzeige prüfte die Familienkasse, ob die Klägerin und ihre Familie noch in Hamburg wohnen. Nach einer Mitteilung vom Bezirksamt vom 22. Mai 2017 soll die Familie selten in Hamburg gewesen sein und wenn sie in Hamburg war, sollen nur zwei der fünf Kinder anwesend gewesen sein. Im Juli 2017 wiesen sich alle sieben Familienangehörigen persönlich beim Bezirksamt aus. Die Klägerin erklärte in ihrem Schreiben am 20. November 2017, dass ihre Kinder in den tunesischen Schulferien, also ca. viermal im Jahr nach Hamburg kämen, dies seien jeweils 2 Wochen bis 3 Monate und, dass sie voraussichtlich bis zum Erreichen des Abiturs in Tunesien bleiben würden. Ihre Kinder hätten ihren Wohnsitz in Hamburg beibehalten. Sie seien in Deutschland krankenversichert und gingen in Hamburg regelmäßig zum Arzt.

Mit Schreiben vom 24. November 2017 forderte die damals zuständige Familienkasse Nord die Klägerin auf, Nachweise über die regelmäßige Rückkehr ihrer Kinder nach Deutschland vorzulegen und teilte mit, dass die Festsetzung des Kindergeldes ggf. ab Dezember 2017 aufgehoben werden müsse.

Die Klägerin übersandte Belege, aus denen sich ergab, dass vier Personen am 3. Juni 2017 nach Hamburg und am 16. September 2017 wieder zurück nach Tunesien geflogen sind.

Die Familienkasse Nord nahm mit Verfügung vom 4. Januar 2018 die Zahlung wieder auf.

Am 23. Oktober 2018 forderte die Familienkasse Nord erneut die Vorlage von Flugtickets an. Die Klägerin übersandte am 20. Oktober 2018 Unterlagen, nach denen die vier Kinder vom 5. Juni 2018 bis zum 11. September 2018 in Hamburg gewesen sind.

Die Familienkasse Nord kam zu dem Ergebnis, dass die vier Kinder der Klägerin ihren Wohnsitz im Inland beibehalten haben und zahlte das Kindergeld weiter aus, ohne dass das Kindergeld neu festgesetzt wurde.

Am 15. Januar 2020 forderte die Familienkasse Nord erneut die Vorlage von Belegen für die Rückkehr der Kinder bis zum 30. Januar 2020 an.

Die Klägerin reichte Unterlagen über Flüge ein, aus denen sich jedoch keine Jahreszahlen ergaben.

Am 6. Februar 2020 teilte die Beklagte mit, dass sich die Zuständigkeit geändert habe und nunmehr die Familienkasse Bayern Süd zuständig sei und das Kindergeld aber ohne Zahlungsunterbrechung weiter ausgezahlt werde.

Mit Aufhebungsbescheid vom 11. Februar 2020 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung gem. § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ab Januar 2020 mit der Begründung auf, dass ein Aufenthalt der Kinder während der dreimonatigen Sommerferien keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen A...

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