Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreie Umsätze aus der Tarifoptimierung von Versicherungsverträgen ohne Wechsel des Versicherers. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 7/23)
Leitsatz (amtlich)
1. In richtlinienkonformer Auslegung befreit § 4 Nr. 11 UStG Umsätze aus einer "Versicherungsvermittlungstätigkeit". Dafür ist wesentlich, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen.
2. Der Begriff des Zusammenbringens erfasst auch den Fall, dass bestehende Versicherungsvertragsparteien zusammengebracht werden, um Verträge durch rechtsgeschäftliche Änderungsvereinbarungen zu optimieren. Denn der Begriff "dazugehörig" ist hinreichend weit und verlangt gerade keine einschränkende Auslegung des Begriffs des "Zusammenbringens".
Normenkette
UStG § 4 Nr. 11, § 14c
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Klägerin für Versicherte durchgeführten Optimierungen von Krankenversicherungsverträgen, bei denen es nicht zu einem Wechsel der Krankenversicherung kommt, die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers darstellt und damit umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist.
Die Klägerin wurde 2008 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens sind die Geschäfte eines Versicherungsmaklers im Sinne von § 34d der Gewerbeordnung (GewO). Sie ist auf die Optimierung von privaten Krankenversicherungstarifen spezialisiert. Sie akquiriert ihre Kunden über ihre Homepage. Außerdem kauft sie sogenannte Leads-Datensätze bei Betreibern von Web-Portalen und nimmt Kontakt zu Personen auf, die vorher im Internet ein Interesse an einer Versicherungsoptimierung bekundet haben. Das Ziel der Klägerin ist es, im Wege eines Tarifwechsels eine Beitragsersparnis für privat versicherte Kunden zu erzielen, ohne dass ein Wechsel des Versicherers stattfindet. Im Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten steuert die Klägerin den gesamten Prozess des Tarifwechsels. Dazu gehören im Einzelnen die Recherche und der Vergleich der verfügbaren Tarifoptionen, die Aufarbeitung der Ergebnisse und die Beratung der Kunden in Bezug auf mögliche Tarif- und Wechseloptionen und gegebenenfalls die Umstellung des Versicherungstarifs im Namen des Kunden gegenüber der Versicherungsgesellschaft.
In den zwischen der Klägerin und ihren Kunden abgeschlossenen Verträgen verpflichtete sich der jeweilige Kunde, gegenüber der Klägerin eine erfolgsabhängige Provision zu zahlen. Diese orientierte sich daran, welche Ersparnis der Kunde im Fall eines Tarifwechsels tatsächlich erzielte. Die Vergütung berechnete sich zunächst auf Grund der Ersparnis des Kunden in den ersten acht Monaten und später in den ersten zehn Monaten, zuzüglich der Mehrwertsteuer. Gleichzeitig erteilte der Kunde der Klägerin eine Vollmacht. Diese berechtigte die Klägerin dazu, Tarifberechnungen nach § 204 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) bei der Versicherungsgesellschaft einzuholen, den Tarifwechsel abzuwickeln und gegebenenfalls ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren durchzuführen. Die dabei anfallenden Kosten übernahm die Klägerin. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte Dienstleistungsvereinbarung verwiesen.
Nach einer erfolgreichen Änderung der Verträge erstellte die Klägerin Rechnungen an ihre Kunden. In diesen Rechnungen berechnete sie die monatliche Ersparnis auf der Grundlage der Differenz zwischen altem und neuem Monatsbeitrag. Diesen Betrag multiplizierte sie mal zehn (bzw. früher mal acht) und wies anschließend einen Rechnungsbruttobetrag aus, ohne Umsatzsteuer extra auszuweisen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen verwiesen.
Neben den Umsätzen aus Tarifoptimierung erzielte die Klägerin außerdem steuerfreie Umsätze aus klassischer Vermittlungstätigkeit (Konto Nr. xx-1), steuerfreie Umsätze aus der Vermittlung von Beitragsentlastungstarifen (Konto Nr. xx-2) und Umsätze aus Bestandsfolgeprovisionen (Konto Nr. xx-3). Dies waren laufende Provisionen, die aus einer vorherigen Vermittlung durch die Klägerin resultierten. Diese Umsätze sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Posten der steuerpflichtigen Umsätze zu 19 %, die auf den Konten Nr. xx-4 und xx-5 gebucht wurden, enthielten die Umsätze aus den Vermittlungen einer Tarifoptimierung.
Die Klägerin erklärte für 2015 und 2016 ihre Umsätze aus der Tarifoptimierung zunächst als steuerbar und steuerpflichtig und führte dementsprechend auch die Umsatzsteuerbeträge ab. Am 4. Mai 2018 reichte die Klägerin berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2015 und 2016 ein. Die Berichtigungen betrafen einen im Klageverfahren nicht streitigen Punkt. Für 2015 erteilte der Beklagte am 8. Mai 2018 seine Zustimmung. Für 2016 ergab sich kein Zustimmungserfordernis.
Am 12. Juni 2020 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) für die Umsatzsteuer der Jahre 2015 bis 2018. Darin begehrte die Klägerin, ihre Umsätze aus der Tarifoptimierung gemäß § 4 Nr...