Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung der Zolldienststellen an Entscheidungen der zuständigen Überwachungsbehörden

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zolldienststellen sind nicht selbst Marktüberwachungsbehörden im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes und der VO (EG) Nr. 765/2008, denn als Bundesbehörden wirken sie bei der Marktüberwachung auch bei der Einfuhr von Verbraucherprodukten (§ 2 Nr. 15 ProdSG) lediglich im Rahmen der ihnen zugewiesenen Befugnisse mit (Art. 27 VO (EG) Nr. 765/2008).

An die Entscheidung der zuständigen Überwachungsbehörde sind die Zolldienststellen somit jedenfalls dann gebunden, wenn die Entscheidung nicht offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. BFH, Urteil vom 17. Mai 2022, VII R 4/19, juris, Rn. 22 ff., Rn. 33 ff.).

 

Normenkette

UZK Art. 134, 172, 194; EUVO 765/2008 Art. 27; ProdSG § 24 ff.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Freigabe einer von ihm als Pheromone bezeichneten Ware.

Am 14. Februar 2020 übergab die Deutsche Post AG dem Beklagten ein für den Kläger bestimmtes Paket aus den USA, teilte die Einlagerung beim Zollamt A mit und meldete gleichzeitig die enthaltenen Waren am 17. Februar 2020 im Auftrag des Klägers zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an.

Das Zollamt nahm die Zollanmeldung an, beschaute die Sendung und stellte angesichts des Warenaufdrucks 30 Fläschchen zu je 5 ml "XX, toiletry for men" fest. Das Zollamt setzte die Überlassung aus, um die Einfuhrfähigkeit durch die zuständige Marktüberwachungsbehörde prüfen zu lassen. Der für Kosmetik zuständige Landkreis A, Amt für Veterinärangelegenheiten und Verbraucherschutz (Landkreis) antwortete am 17. Februar 2020, dass die Ware augenscheinlich nicht verkehrsfähig sei, aber weitere Prüfungen erforderlich seien. In der Folge teilte der Kläger dem Landkreis per E-Mail mit, die Ware solle zum privaten Eigenverbrauch und nicht zu gewerblichen Zwecken eingeführt werden.

Nach einem weiteren umfangreicheren Schriftwechsel mit dem Kläger und der unter anderem chemischen Analyse und Begutachtung durch das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) sowie Prüfung durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt B (GAA B) als zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde versagte der Landkreis am 5. Juni 2020 die Freigabe. Das Mittel sei in der EU nicht verkehrs- und anwendungsfähig. Es bestehe der Verdacht einer von dem Produkt ausgehenden Gefahr, es fehlten vorgeschriebene Unterlagen und eine vorgeschriebene Kennzeichnung; die vorhandene Kennzeichnung sei zudem zweifelhaft. Das Mittel entspreche nicht der Zweckbestimmung eines kosmetischen Mittels (Art. 2 Abs. 1 lit. a VO (EG) Nr. 1223/2009). Vorhandene Kennzeichnungselemente seien nicht in deutscher Sprache. Es fehlten zudem die Angabe der Inhaltsstoffe (vor allem allergener Stoffe), der CAS-Nr., des Produktverantwortlichen in der EU, der Warn- und Gefahrenhinweise, des Haltbarkeitsdatums, des Verbrauchsdatums nach Anbruch, der Verpflichtungen des Einführers in die EU, der Produktinformationsdatei, der Registrierung vor der Einfuhr beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und ein Beipackzettel. Angesichts des behaupteten Verwendungszwecks als Ausgangslösung zum Herstellen einer gebrauchsfertigen Mischung fehle es am Gefahrenhinweis bei einer Mischung mit ungeeigneten Produkten. Es handele sich auch nicht um ein Lebensmittel oder Arzneimittel.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2020 nahm der Beklagte die Annahme der Zollanmeldung zurück und teilte dem Kläger mit, dass der Landkreis als Marktüberwachungsbehörde die Freigabe wegen der Nichtkonformität der Ware versagt habe. Ein Einspruch gegen die Rücknahme der Annahme der Zollanmeldung habe keine Auswirkung auf die Entscheidung der Marktüberwachungsbehörde; dies müsse mit der Marktüberwachungsbehörde geklärt werden.

Den Einspruch des Klägers gegen die Rücknahme vom 8. Juli 2020 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2021, abgeschickt am 18. Januar 2021, zurück.

Der Kläger hat am 19. Februar 2021 Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:

Bei der streitbefangenen Ware handele es sich um von ihm - dem Kläger - importierte Duftstoffe bzw. Pheromone zur Beimischung in Aftershaves. Sie diene damit der externen Anwendung bei Männern im Gesicht und sei als Kosmetikum im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 einzustufen. Es handele sich nämlich um Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt seien, äußerlich mit Teilen des menschlichen Körpers in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck diese zu parfümieren. Eine weitergehende Anwendung der Ware im Körper von Personen, bei der diese mit den Schleimhäuten in Kontakt komme, sei nicht möglich. Es handele sich auch nicht um ein Pheromon. Pheromone seien spezielle Duftstoffe mit sexueller Lockwirkung, die im gasförmigen Aggregatzustand auftrete. Der von ihm - dem Kläger - importierte Lockstoff sei in alkoholischer Lösung gebunden und deshalb nicht gasförmig, sondern ...

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