Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Haftung des gesetzlichen Vertreters einer Kapitalgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Steht für die steuerliche Haftung des gesetzlichen Vertreters einer Kapitalgesellschaft fest, dass diese im Zeitpunkt der von ihm unterlassenen Steuervoranmeldung und Vorauszahlung über ausreichend liquide Mittel verfügte, ist der mit der Haftung vom FA geltend gemachte Steuerausfallschaden in voller Höhe kausal verursacht, ohne dass es auf die Berechnung einer Tilgungsquote ankommt.
Normenkette
AO §§ 38, 69, 191; UStG §§ 13, 18
Tatbestand
Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung eines - an ihn als gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 34 AO gerichteten - Umsatzsteuer-Haftungsbescheides des Beklagten (des Finanzamts -FA-) für den Umsatzsteuer-Vorauszahlungszeitraum IV. Quartal 2001.
I.
1. Der Kläger war einziges im Handelsregister eingetragenes Vorstandsmitglied der AG (Akte Allgemeines -Allg-A- Bd. I Bl. 70).
2. Die AG reichte für das Veranlagungsjahr 2001 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein.
Das FA setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen 2001 vierteljährlich mit Schätzungsbescheiden fest, und zwar für das I. Quartal am 20. Juni 2001 auf 61.830 DM (=31.613,18 EUR), für das II. Quartal am 13. September 2001 auf 94.998 DM (=48.571,71 EUR), für das III. Quartal am 24. Januar 2002 auf 35.790,43 EUR und für das IV. Quartal am 28. Februar 2002 auf 70.054,15 EUR nebst 3.921,61 EUR Verspätungszuschlag (Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 13, 46; Haftungsakte -H-A- Bl. 9).
Am 17. August 2001 zahlte die AG für das I. Quartal 31.543,64 EUR von 31.613,18 EUR, so dass ein Rest von 69,54 EUR verblieb. Am 4. Oktober 2001 und am 5. Februar 2002 beglich die AG die Bescheide für das II. und III. Quartal. Am 12. März 2002 leistete sie auf die 70.054,15 EUR für das IV. Quartal 2001 einen Teilbetrag von 20.442,48 EUR, so dass 49.611,67 EUR offen blieben (FG-A Bl. 45 ff).
3. Im IV. Quartal 2001 befand sich die AG in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Deswegen blieb sie einen Teil der fälligen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zunächst schuldig. Anfang des Jahres 2002 waren diese Schwierigkeiten überwunden und die AG glich die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Forderungen des FA aus (FG-A Bl. 92f; Körperschaftsteuer-Akte -KSt-A- Bl. 80).
4. Auf Antrag des Klägers vom 31. Mai 2002 wurde am selben Tage über das Vermögen der AG die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt des Insolvenzverwalters angeordnet (FG-A Bl. 7f, 36; KSt-A Bl. 77).
5. Mit Schätzungsbescheid vom 8. Juli 2002 setzte das FA die Umsatzsteuer 2001 der AG - entsprechend den vorangehenden Schätzungen (oben 2.) - auf 186.029,46 EUR fest (KSt-A Bl. 56-57).
6. Am 1. August 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (FG-A Bl. 8, 36; KSt-A Bl. 77).
7. Der Insolvenzverwalter reichte am 25. Mai 2005 die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die AG beim FA ein. Diese weist eine Umsatzsteuerschuld der AG in Höhe von 633.796,60 DM (= 324.055,06 EUR) aus. Nach Abzug erbrachter Tilgungsleistungen von 156.828 DM (= 80.184,88 EUR) berechnete der Insolvenzverwalter eine Restschuld in Höhe von 476.968,60 DM (= 243.870,17 EUR) (FG-A Bl. 94; USt-A Heftstreifen).
Hierauf errechnete das FA mit Mitteilung vom 12. Juli 2005 die verbleibende Umsatzsteuerschuld der AG für das Jahr 2001 mit 179.536,63 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 18.630 EUR. Die Differenz von 64.333,54 EUR zwischen der Berechnung des Insolvenzverwalters und des FA ergibt sich daraus, dass das FA weitere Zahlungen der AG in dieser Höhe berücksichtigte.
II.
1. Unter dem 15. August 2002 übersandte das FA dem Kläger einen Anhörungsbogen, in dem er aufgefordert wurde, zu seiner steuerlichen Organhaftung Stellung zu nehmen. Das Schreiben enthielt ebenfalls einen Hinweis auf seine Pflicht zur Erteilung von Auskünften gemäß §§ 90, 93 Abgabenordnung (AO). Auf dieses Schreiben reagierte der Kläger nicht (H-A Bl. 4, 7).
2. Mit Haftungsbescheid vom 1. November 2002 nahm das FA den Kläger für die Umsatzsteuer-Vorauszahlung IV. Quartal 2001 in Höhe restlicher 49.611,66 EUR nebst Verspätungszuschlag 3.921,61 EUR und bis zum 1. August 2002 angefallenen Säumniszuschlägen 2.480 EUR in Anspruch (H-A Bl. 6, 9).
3. Gegen den Haftungsbescheid vom 1. November 2002 legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2003 Einspruch ein. Das FA gewährte hinsichtlich der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wies den Einspruch jedoch mit Einspruchsentscheidung vom 5. November 2003 als unbegründet zurück. Der Kläger habe von der Möglichkeit der Anhörung vor Erlass des Haftungsbescheides keinen Gebrauch gemacht. Letzterer sei rechtmäßig, da die Voraussetzungen für den Erlass der Schätzungsbescheide vorgelegen hätten und die vom Kläger angekündigte konkrete Berechnung der Umsatzsteuer nicht beigebracht worden sei (H-A Bl. 16-19, 26, 33-34).
III.
Zur Begründung der am 27. November 2003 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Klage führt der Kläger im Wesentlichen aus (FG-A Bl. 1, 7, 14, 68, 86, 91): Der Umsatz...