Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung: Gesamter Einzugsbereich einer politischen Gemeinde als Beschäftigungsort im Sinne des EStG - Feststellungslast
Leitsatz (amtlich)
1. Zweifel an der Begründung eines eigenen Hausstands in der Wohnung des Lebensgefährten gehen zu Lasten der Steuerpflichtigen, weil sie für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung die Feststellungslast trägt.
2. Unter Beschäftigungsort i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG ist nicht nur die politische Gemeinde zu verstehen, dazu gehört vielmehr der gesamte Einzugsbereich.
3. Der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort fallen dann nicht auseinander, wenn der Arbeitsplatz vom Haupthausstand innerhalb einer Stunde erreicht werden kann. Denn insbesondere in Großstädten, in denen die Wohnstätten der Beschäftigten immer weiter in die Randbereiche und über die politische Grenze einer Gemeinde hinaus ("Speckgürtel") verdrängt werden, sind Fahrtzeiten von etwa einer Stunde üblich und ohne weiteres zumutbar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.
Die Klägerin bewohnt seit ... 2003 in Hamburg eine in der X-Straße belegene, ... qm große Zwei-Zimmer-Wohnung. Sie ist mit Wohnsitz (nur) in Hamburg gemeldet, der auf ihren Namen zugelassene Pkw hat ein Hamburger Kennzeichen. Sie ist als ... bei der A beschäftigt, die im Streitjahr 2011 ihren Sitz in der Y-Straße in Hamburg hatte. Seit ... 2011 hat sie ein Gewerbe (Onlinehandel und Vertrieb verschiedener Produkte) unter der Anschrift X-Straße angemeldet.
Mit der Steuererklärung für 2011 machte die Klägerin erstmals Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Sie habe 2004 ihren Lebensgefährten, den Zeugen B, kennengelernt und wohne seit Anfang 2005 -soweit möglich- mit in seinem Haus in C. Ihre Wohnung in Hamburg habe sie aufgrund der ungünstigen Verkehrsanbindung von dort beibehalten. An den Kosten des Haushalts beteilige sie sich seit Jahren mit derzeit 150 € monatlich. Die Beträge würden bar übergeben oder mit verauslagten Zahlungen verrechnet. Von den Kosten in Höhe von 7.996 € entfielen 4.776 € auf die Miete der Wohnung X-Straße, 2.693 € auf Nebenkosten und sonstige Aufwendungen für die Wohnung sowie 527 € auf Heimfahrten (39 km einfache Entfernung x 45 Heimfahrten x 0,30 €). Gewerbliche Einkünfte erzielte sie im Streitjahr nicht.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 04.06.2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2011 auf 11.908 € fest. Bei den Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung berücksichtigte er lediglich die geltend gemachten Kosten für Heimfahrten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 03.07.2013 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, sie habe ihren Lebensmittelpunkt in C. Die Hamburger Wohnung nutze sie lediglich als Schlafstätte in der Arbeitswoche und sie verbringe durchschnittlich vier Nächte in C und drei Nächte in Hamburg. In ihrer Abwesenheit hüteten Freunde und Nachbarn ihre Hamburger Wohnung. In C seien sie und ihr Lebensgefährte Stammgäste in verschiedenen Restaurants und Stammkunden in verschiedenen Geschäften. Sie plane in C ihren Motorradführerschein zu machen.
Sie habe in C auch einen eigenen Hausstand begründet, so habe sie mit ihrem Lebensgefährten die Einrichtung des Hauses gemeinsam umgestaltet, sie habe dort einen Kleiderschrank und ein eigenes Zimmer für ihren PC. Sie erledige allein den Haushalt und die Mehrzahl der Einkäufe. Sie kümmere sich um den Garten und um die Angelegenheiten mit dem Steuerberater, den Versicherungen und Banken. Von C aus habe sie einen täglichen Arbeitsweg von ca. 3 Stunden, was unzumutbar sei. Zum Nachweis dafür, dass ihr Lebensmittelpunkt in C liege, legte die Klägerin schriftliche Bestätigungen ihres Lebensgefährten sowie einer Freundin und von Nachbarn, u. a. der Zeugin D, vor. Des Weiteren reichte sie ein Schreiben ihres Arbeitsgebers zur Notwendigkeit eines pünktlichen Erscheinens am Arbeitsplatz ein. Mit Entscheidung vom 20.03.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Am 16.04.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass ihr Lebensmittelpunkt in C liege. Sie habe ihren Lebensgefährten im Herbst 2004 kennengelernt und wohne seit Anfang 2005 mit in seinem Haus in C. Aus Unkenntnis habe sie in der Vergangenheit nicht die Kosten einer doppelten Haushaltsführung steuerlich geltend gemacht. Sie beteilige sich an den Kosten der gemeinsamen Wohnung in C. Sie übernehme etwa 150 € der monatlichen Nebenkosten und beteilige sich zusätzlich zur Hälfte an den Kosten für Lebensmittel und sonstige Einkäufe. Das Geld für die Nebenkosten gebe sie ihrem Lebensgefährten entweder in bar oder verrechne es mit getätigten Auslagen. Sie habe an der Wohnung auch ein Nutzungsrecht aufgrund des Mietvertrages vom 27.09.2010. Diesen Vertrag habe sie seinerzeit mit ihrem Lebensgefährten geschlossen, um eine Nutzungssicherheit zu haben, da sie zu der Zeit geplant hätte, ...