Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld, Einkommensteuerrecht: Die Mitwirkungspflicht gem. § 68 Abs. 1 EStG stellt keine Anzeige i. S. d. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dar
Leitsatz (amtlich)
Wird Kindergeld zu Unrecht an den Kindesvater gezahlt, stellt dessen bloße Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 68 EStG bei Weiterleitung des Kindergeldes an die vorrangig kindergeldberechtigte Kindesmutter dann keine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO dar, wenn die Kindesmutter ausdrücklich den Kindergeldbezug durch den Kindesvater gewünscht hat.
Normenkette
AO §§ 169, 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, §§ 370, 378 Abs. 1; EStG § 68
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist das Kindergeld für den Sohn des Klägers A, geboren am ..., im Zeitraum vom 01.10.2001 bis 31.12.2006 streitig.
Der Kläger, damals noch ... Staatsbürger, kam 1993 nach Deutschland. Er besaß zunächst nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrfach verlängert wurde. Bis 1996 war der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einem privaten Arbeitgeber tätig. Von 1996 bis ... 2011 war der Kläger bei dem Landesbetrieb ... (...) "B" zunächst befristet, ab ... 1999 unbefristet beschäftigt. Am ... 2011 wechselte er in den Dienst der C, wo er in der ... beschäftigt ist. Seit 2003 besitzt der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit.
Der Kläger erhielt laufend Kindergeld für seinen Sohn A bis einschließlich August 2011. Der Kläger und die Kindesmutter waren seit ... 1993 verheiratet. Die Eheleute lebten vom 29.09.2001 bis 30.06.2002 getrennt. Vom 01.07.2002 bis Ende Dezember 2002 wohnte der Kläger wieder in der gemeinsamen Ehewohnung und sorgte für den gemeinsamen Sohn. Gleichzeitig unterhielt er eine eigene Wohnung. Die Ehe zwischen dem Kläger und der Kindesmutter wurde laut Urteil des Amtsgerichts Hamburg -1 am ... 2003 geschieden. Der Kläger ist seit ... 2008 wieder verheiratet.
Der Kläger legte zunächst regelmäßig bei der für ihn zuständigen Familienkasse, zuletzt in 2001, eine Haushaltsbescheinigung (Kindergeldakte - KiGa - Bl. 38) sowie in 2002 eine Schulbescheinigung seines Sohnes vor. Auf die Aufforderung seiner damaligen Dienststelle vom 12.08.2003 (KiGa Bl. 44) um Vorlage einer erneuten Haushaltsbescheinigung legte er seine Einbürgerungsurkunde vom ... 2001 vor. Weitere diesbezügliche Aufforderungen erfolgten seitdem nicht.
Infolge des Wechsels des Arbeitgebers stellte der Kläger am 17.08.2011 einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld für A (KiGa Bl. 70). Hieraus ging hervor, dass sein Sohn im Haushalt seiner Mutter lebt.
Mit Bescheid vom 09.12.2011 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab 01.10.2001 bis 31.08.2011 auf (Bl. 91 ff. Kindergeldakte) und forderte das überzahlte Kindergeld zurück. Der Erstattungsbetrag belief sich auf 19.098 €. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Sohn seit 01.01.2001 im Haushalt der Kindesmutter lebe und nicht mehr im Haushalt des Klägers, so dass diese vorrangig kindergeldberechtigt sei. Auf die Möglichkeit der Abgabe einer Weiterleitungserklärung wurde hingewiesen.
Mit Schreiben vom 09.01.2012 legte der Kläger dagegen Einspruch ein und führte dazu aus, dass er das Kindergeld von Anfang 2001 bis August 2011 an die Kindesmutter weitergeleitet habe. Er legte hierzu eine Weiterleitungserklärung der Kindesmutter bei, indem diese Weiterleitung des Kindergeldes an sie im Zeitraum vom 01.10.2001 bis 31.08.2011 bestätigte und insoweit ihren Anspruch auf Kindergeld als erfüllt angesehen hat. Die Kindesmutter bestätigte ferner, dass sie selbst am 02.11.2011 bei der Agentur für Arbeit Hamburg - Familienkasse - einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld gestellt habe.
Der Kläger führte weiter aus, dass § 64 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) keine Anwendung finde. Bei Einmalbezug des Kindergeldes könne dies nicht dazu führen, dass sowohl dem Berechtigten als auch dem vorrangig Berechtigten das Kindergeld für sechs Jahre gänzlich entzogen werde. Darüber hinaus sei die Rückforderung des Kindergeldes verjährt.
Eine Steuerhinterziehung liege nicht vor. Die Kindesmutter habe das Kindergeld bei dem Jobcenter monatlich angegeben. Aus diesem Grunde sei auch nicht von einer leichtfertigen Steuerverkürzung auszugehen, die eine fünfjährige Rückforderungsfrist beinhaltet hätte. Der Bescheid sei daher aufzuheben.
Mit Einspruchsentscheidung vom 03.02.2012 wies die Beklagte den Einspruch insoweit als unbegründet zurück, als die Aufhebung den Zeitraum vom 01.10.2001 bis 31.12.2006 betroffen hat. Die Erstattungsforderung reduzierte sich dadurch auf 9.654 €. Die Beklagte führte zur Begründung aus: Da die Kindesmutter ihren Kindergeldanspruch bei der Familienkasse erst im Oktober 2011 geltend gemacht habe, könne Kindergeld gem. § 169 Abgabenordnung (AO) frühestens ab 01.01.2007 festgesetzt werden. Der vorausgehende Anspruch sei verjährt. Daraus folge, dass die Kindesmutter ihren Anspruch auch nur für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.08.2011 als erfüllt ansehen könne und nur in dieser Höhe verzichten könne.
Hiergegen erhob der K...