Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung. Die vorübergehende Verwendung eines Fahrzeuges durch einen Dritten entgegen Art. 719 Abs. 10 lit b ZK-DVO a.F. erschöpft sich in dem Verstoß gegen diese Vorschrift. Entziehungscharakter hat diese Verhaltensweise nicht.

 

Normenkette

ZK Art. 37 Abs. 1, Art. 203 Abs. 1, Art. 204 Abs. 1, Art. 203 Abs. 3; ZKDV a.F. Art. 719 Abs. 10

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Abgabenbescheid, mit dem er vom beklagten Hauptzollamt zur Entrichtung von Eingangsabgaben herangezogen wird.

Anfang August 1999 reiste der ukrainische Staatsangehörige A mit seinem in der Ukraine zugelassenen Fahrzeug - X, amtliches Kennzeichen: 1... - in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein, um in der Bundesrepublik Deutschland Verwandte zu besuchen und in Frankreich einen geschäftlichen Termin wahrzunehmen.

Bei einer Überholung des Fahrzeuges am 15.8.1999 durch Bedienstete des Hauptzollamtes Hamburg-... - Abfertigungsstelle - wurde festgestellt, dass das Fahrzeug nicht von seinem Halter - dem Onkel des Klägers -, sondern von dem in Hannover wohnhaften Kläger selbst geführt wurde. Ausweislich des in der Sachakte befindlichen Tatberichtes (Bl. 2 der Sachakte) soll der Kläger gegenüber den Bediensteten der Abfertigungsstelle erklärt haben, sein Onkel, der sich gegenwärtig in Frankreich aufhalte, habe ihm das Fahrzeug überlassen; er sei auf dem Weg zum Flughafen gewesen, um seine Frau und seine Kinder abzuholen.

Mit Steuerbescheid vom 30.3.2000 setzte das Hauptzollamt Hamburg-... gegenüber dem Kläger Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt DM 3.174,- fest, weil er das Fahrzeug seines Onkels, das diesem bei seiner Einreise unter Befreiung von den Einfuhrabgaben zur vorübergehenden Verwendung überlassen worden sei, der zollamtlichen Überwachung entzogen habe. Seinen hiergegen gerichteten Einspruch wies das Hauptzollamt Hamburg-... mit Einspruchsentscheidung vom 13.7.2000 zurück. - Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die am 17.7.2000 zur Post gegeben worden ist, wird Bezug genommen.

Der Kläger hat am 16.8.2000 Klage erhoben. Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Auf der Fahrt nach Hannover habe sein Onkel ungewöhnliche Geräusche am Motor bemerkt. In Sorge, einen Motorschaden zu erleiden, habe er das Fahrzeug ihm - dem Kläger -, der in B einen Handel mit Gebrauchtwagen betreibe und auch über eine kleine Werkstatt verfüge, mit der Bitte übergeben, den Motor zu überprüfen und gegebenenfalls zu reparieren und zu diesem Zweck auch eine Probefahrt durchzuführen. Er - der Kläger - habe sodann einen Schaden an der Steuerkette festgestellt. Nach dem Einbau einer neuen Steuerkette durch eine Werkstatt in C habe er eine Probefahrt gemacht, die er mit der Abholung seiner Familie am Flughafen in Hamburg verbunden habe. Insoweit habe der Umgang mit dem Fahrzeug den Weisungen seines Onkels entsprochen und sei mit dessen Einverständnis erfolgt. Dieser Sachverhalt erfülle keinen Zollschuldentstehungstatbestand, insbesondere habe er das Fahrzeug nicht im Sinne des Art. 203 Abs. 1 ZK der zollamtlichen Überwachung entzogen. Auch nach Art. 204 ZK könne er nicht in Anspruch genommen werden. Der Gebrauch des Fahrzeuges durch ihn - den Kläger - sei in Kenntnis und auf Weisung des Bewilligungsinhabers, der allein gemäß Art. 204 Abs. 3 als Zollschuldner in Betracht komme, erfolgt und habe sich daher im Rahmen des Art. 719 Abs. 10 lit. b) ZK-DVO gehalten.

Der Kläger beantragt, den Steuerbescheid vom 30.3.2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.7.2000 aufzuheben.

Der Beklagte, der seit dem 1.4.2001 die Aufgaben des Hauptzollamtes Hamburg-... übernommen hat, beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide mit den Gründen der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend an: Die Fahrt in das etwa 200 Kilometer entfernte Hamburg könne nicht mehr als Probefahrt zur ordnungsgemäßen Reparatur gewertet werden. Vielmehr sei diese Fahrt im ureigenen Interesse des Klägers erfolgt, sie stelle deshalb kein weisungsgebundenes Handeln im Sinne des Art. 719 Abs. 10 lit. b) ZK-DVO dar.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

1. Das beklagte Hauptzollamt kann den angefochtenen Steuerbescheid nicht auf die Vorschrift des Art. 203 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex) stützen.

Nach Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Zollschuld, w...

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