Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung einer niederländischen BV als Bevollmächtigte gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO
Leitsatz (amtlich)
1. In dem Erfordernis, dass eine als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennende Gesellschaft von Steuerberatern verantwortlich geführt werden muss (§ 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG), liegt keine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV.
2. § 3a StBerG verstößt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Das von der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren (Az. 2018/2171) führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben der RL 2005/36/EG und 2013/22/EU umgesetzt.
3. Selbst wenn die Regelungen des StBerG über die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gegen das Unionsrecht verstießen, enthielte der im Streitfall auf der Grundlage des § 80 Abs. 7 Satz 1 AO ergangene Zurückweisungsbescheid keinen besonders schwerwiegenden Fehler i.S. des § 125 Abs. 1 AO.
Normenkette
AO § 80 Abs. 7, § 125 Abs. 1; StBerG §§ 1-3, 3a, 3b, 3c, 3d, 3e, 3g, 4, 5 Abs. 1, §§ 32, 37a, 49 ff., § 86e; FGO § 52 Abs. 1 S. 2; AEUV Art. 49, 56; RL 2005/36/EG Art. 5, 7, 14; RL 2013/55/EU Art. 4 f.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Inland.
Die Klägerin ist eine am ... 2017 gegründete Gesellschaft niederländischen Rechts in der Rechtsform einer B. V. (eingetragen bei der Kamer van Koophandel Nr. xxx) und mit Sitz in A (Niederlande). Nach dem auf ihren Schreiben verwendeten Briefkopf unterhält die Klägerin auch Büros in der X-Straße ... in Hamburg (z.T. auch als Zustellanschrift bezeichnet) und in B (Polen).
Die Geschäftsführer der Klägerin, C und D, sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer zugelassen und die Klägerin ist nicht als Steuerberatungsgesellschaft nach § 32 Abs. 3, §§ 49 ff. des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anerkannt. In die von der Bundessteuerberaterkammer nach § 86b, § 3b und § 3g StBerG geführten Verzeichnisse ist die Klägerin nicht eingetragen (durch das Gericht zuletzt abgerufen am 18. März 2024).
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 legte die Klägerin in Vertretung für die Eheleute E und F beim Beklagten Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 13. September 2021 ein und begründete den Einspruch mit Schreiben vom 19. Oktober 2021. Des Weiteren legte die Klägerin für F mit Schreiben vom 30. Januar 2023 u.A. Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2020 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Dieser Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12. April 2023 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Klägerin für F am 15. Mai 2023 Klage (Az. 5 K 41/23).
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2023 wies der Beklagte die Klägerin gemäß § 80 Abs. 7 der Abgabenordnung (AO) als Bevollmächtigte in den Steuersachen der Eheleute EF mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren in seinem, des Beklagten, Zuständigkeitsbereich zurück und gab dies auch den Eheleuten EF bekannt.
Die Klägerin hat am 8. November 2023 per Telefax Klage erhoben und im Hauptantrag die Feststellung der Nichtigkeit der Zurückweisungsbescheide und im Hilfsantrag im Wege der Sprungklage deren Aufhebung als rechtswidrig beantragt. Der Beklagte, dem die Klage am 10. November 2023 zugestellt worden ist, hat der Sprungklage am 7. Dezember 2023 zugestimmt.
Die Klägerin trägt vor, dass sie die streitgegenständlichen Leistungen grenzüberschreitend von ihrer Niederlassung in A (Niederlande) aus erbracht habe. Sie sei dort bei der Kamer van Koophandel eingetragen und umfassend zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
Das Verfahren sei auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Berufsvorbehalte des deutschen StBerG seien unionsrechtswidrig und damit wirkungslos und nicht anwendbar. Nach Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17. Dezember 2015, C-342/14, X-Steuerberatungsgesellschaft, DB 2016, 47) sei die Dienstleistungserbringung grenzüberschreitend gegenüber in Deutschland Ansässigen zulässig und § 3a StBerG insoweit nicht anwendbar; das Berufsausübungsrecht des Dienstleisters richte sich nach dem Ort der Leistungserbringung. Die in einem Mitgliedstaat befugt ausgeübte Dienstleistung dürfe durch den deutschen Staat nicht beschränkt werden. Anders verhalte es sich nur bei in deutschen Niederlassungen ausgeübten Dienstleistungen.
Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30. September 2005, S. 22; -RL 2005/36/EG-) habe bis zum 20. Oktober 2007 umgesetzt werden müssen und sei seit der Umsetzung zwingendes Recht in allen EU-Mitgliedstaaten. Entgegenstehende nationale Regelun...