Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 37/12)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zoll: Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex
Leitsatz (amtlich)
Von einem Zollschuldner wird verlangt, dass er sich über die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften anhand ihrer im Amtsblatt erfolgten Veröffentlichung informiert. Versäumt er dies, ist grundsätzlich von der Erkennbarkeit eines Irrtums im Sinne von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex auszugehen. Gleichwohl kann die Erkennbarkeit zu verneinen sein, wenn die Zollstelle ihre der Zollbehandlung zugrunde gelegte irrtümliche Auffassung gegenüber dem Beteiligten durch zweimalige Auskunft - ohne rechtliche Bindungswirkung - zum Ausdruck gebracht hat.
Normenkette
ZKArt. 220 Abs. 2 lit. b)
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben.
Die Klägerin führte zwischen dem 16.09.2008 und dem 10.02.2009 in ... Fällen elektronische Bilderrahmen (...) ein. Dabei gab sie die Warennummer 8543 7090 99 0 (Zollsatz 3,7 %) an.
Bereits am 04.08.2008 hatte die Klägerin bei der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) A die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft beantragt und die Einreihung in die Warennummer 8543 7090 99 0 vorgeschlagen.
Am 04.10.2008 zog der Beklagte eine Probe zum Zwecke der Begutachtung durch die ZPLA B.
Am 11.12.2008 trat die Verordnung (EG) Nr. 1156/2008 vom 20.11.2008 in Kraft. Sie wurde am 21.11.2008 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Danach waren elektronische Bilderrahmen in die Warennummer 8528 5990 (Zollsatz 14 %) einzureihen, gleichwohl wurden die elektronischen Bilderrahmen bis zum 10.02.2009 vom Beklagten - der Anmeldung folgend - nach der Warennummer 8543 7090 99 0 abgefertigt. Erst am 12.02.2009 wurde die Klägerin durch die ZPLA A von der Einreihungsverordnung in Kenntnis gesetzt.
Am 19.02.2009 erstellte die ZPLA B ein Einreihungsgutachten, in dem die Warennummer 8528 5990 festgestellt wurde.
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie wegen der abweichenden Einreihung mit einer Nacherhebung rechnen müsse. Die Klägerin reagierte darauf mit Schreiben vom 26.02.2009, in dem sie beantragte, auf die Nacherhebung für den Zeitraum 16.09.2008 bis 10.2.2009 zu verzichten. Hierin führte die Klägerin aus, sie habe die Kaufverträge für die elektronischen Bilderrahmen erst geschlossen, nachdem ihr die Zollbehörden (u. a. ZPLA A) bestätigt hätten, dass die Einreihung in die Warennummer 8543 7090 99 0 zutreffend sei. Noch am 19.11.2008 habe sie mit einem Mitarbeiter der ZPLA A (Herrn C) telefoniert, dieser habe ihr die Einreihung in die Warennummer 8543 7090 99 0 empfohlen. Ungeachtet der Einreihungsverordnung vom 20.11.2008 habe ihr das Zollamt D noch mit E-Mail vom 21.11.2008 mitgeteilt, dass die Fotorahmen nur mit Fotofunktion weiterhin unter 8543 7090 99 0 eingereiht werden sollten (Sachakte Heft I Bl. 15). Erst am 12.02.2009 sei sie von der ZPLA A auf die Einreihungsverordnung hingewiesen worden. Von einer Nacherhebung sei wegen Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex abzusehen. Es liege ein aktiver Irrtum der zuständigen Zollbehörde vor, da von dort noch am Tage der Bekanntmachung der VO Nr. 1156/2008 mitgeteilt worden sei, die Ware sei in die Position 8543 7090 99 0 einzureihen. Sie, die Klägerin, habe auch gutgläubig gehandelt. Sie habe sich hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Tarifierungsauffassung bei den Zollbehörden rückversichert. Den Irrtum habe sie nicht erkennen können, zumal die Tarifierungsfrage schwer zu beantworten gewesen sei.
Über den Antrag der Klägerin vom 04.08.2008 wurde erst mit verbindlicher Zolltarifauskunft vom 17.03.2009 entschieden. Darin wurde die Ware entsprechend der Einreihungsverordnung in die Warennummer 8528 5990 90 0 eingereiht.
Mit Bescheid vom 30.03.2010 erhob der Beklagte Einfuhrabgaben für Einfuhren im Zeitraum vom 11.12.2008 bis zum 10.02.2009 in Höhe von insgesamt 69.802,69 € nach. Eine Anwendung von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex komme nicht in Betracht. Zwar liege ein aktiver Irrtum der Zollbehörde vor, dieser Irrtum sei aber für die Klägerin erkennbar gewesen, weil sich die richtige Tarifierung aus der im Amtsblatt der Europäischen Union am 21.11.2008 veröffentlichten VO Nr. 1156/2008 ergeben habe. Durch einfaches Nachlesen im Amtsblatt wäre der Irrtum daher erkennbar gewesen. Für den Zeitraum vom 16.09.2008 bis zum 10.12.2008 sah er unter Anwendung von Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex von einer Nacherhebung ab.
Am 06.05.2010 legte die Klägerin gegen die Nacherhebung Einspruch ein. In Bezug auf die Erkennbarkeit des Irrtums verwies sie auf ihre regelmäßigen Nachfragen beim Beklagten und betonte, dass die Veröffentlichung einer Verordnung im Amtsblatt nicht zwingend zu Erkennbarkeit des Irrtums führe.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17.12.2010 aus den Gründen des Einfuhrabgabenbescheides vom 30.03.2010 zur...