Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Nachforderungs- und Aussetzungszinsen

 

Leitsatz (amtlich)

§ 233a AO stellt auf einen Vorteil nicht des FA, sondern des Steuerpflichtigen ab.

§ 237 AO dient dem Ausgleich des Zinsnachteils des Steuergläubigers, der den Abgabenbetrag nicht schon bei Fälligkeit, sondern erst nach Beendigung der Aussetzung der Vollziehung erhält, und des Zinsvorteils des Steuerpflichtigen.

 

Normenkette

AO §§ 227, 233a, 237

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Ablehnung eines Antrags auf Erlass von Nachforderungs- und Aussetzungszinsen rechtmäßig war.

Anlässlich einer Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 1993 bis 1995 in der Zeit von September 1998 bis Januar 1999 wurde festgestellt, dass der Kläger für Beratungsleistungen, die er als freier Mitarbeiter der K KG - KG - dieser gegenüber erbracht hatte, keine Umsatzsteuer erklärt und abgeführt hatte. Daraufhin erließ der Beklagte jeweils am 4.5.1999 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1995, mit denen er die Umsatzsteuer und Zinsen zur Umsatzsteuer wie folgt festsetzte:

Umsatzsteuer

Zinsen zur Umsatzsteuer

1992

25.249 DM

6.048 DM

1993

38.166 DM

9.144 DM

1994

16.629 DM

3.071 DM

1995

25.559 DM

3.187 DM

Summe

21.450 DM

Die Bescheide enthielten eine Zahlungsaufforderung zum 7.6.1999.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 26.5.1999 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die vom Beklagten mit Bescheid vom 29.7.1999 in Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer und Zinsen zur Umsatzsteuer gewährt wurde. Mit Schreiben vom 20.8.2001 nahm der Kläger die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1995 vom 4.5.1999 zurück. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 9.10.2001 Aussetzungszinsen für die Umsatzsteuer 1992 bis 1995 in Höhe von 13.702 DM fest. Die Aussetzungszinsen berechnete der Beklagte jeweils für den Zeitraum vom 7.6.1999 bis zum 20.9.2001 (26 Monate). Den gegen diesen Bescheid über Aussetzungszinsen mit Schreiben vom 2.11.2001 eingelegten Einspruch nahm der Kläger am 17.4.2002 zurück.

Mit Schreiben vom 27.9.2001 beantragte der Kläger den Erlass der Zinsen zur Umsatzsteuer 1992 bis 1995 in Höhe von 21.450 DM. Seinen Antrag begründete der Kläger damit, dass es unbillig sei, einerseits das Nettoentgelt des Steuerpflichtigen durch die Festsetzung von Umsatzsteuer zu verringern und gleichzeitig hierfür Zinsen festzusetzen. Zinsen dienten dazu, Vorteile des Steuerpflichtigen auszugleichen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger keinen Vorteil gehabt, da er die Umsatzsteuer aus seinem Nettoentgelt habe bezahlen müssen. Die Umsatzsteuer sei nur ein durchlaufender Posten. Die Rechnungen gegenüber dem Leistungsempfänger würden berichtigt werden. Dadurch entstehe ein entsprechender Vorsteuererstattungsanspruch; dem Beklagten sei kein Nachteil entstanden. Die Erhebung von Zinsen sei daher sachlich nicht gerechtfertigt und persönlich unbillig.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Erlass der Zinsen in Höhe von 21.450 DM mit Bescheid vom 22.10.2001 ab. Die Festsetzung von Zinsen gem. § 233a AO stehe nicht im Ermessen des Finanzamtes, sondern sei gesetzlich vorgeschrieben, um einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass Steuern aus welchen Gründen auch immer zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben würden. Billigkeitsgründe seien nicht gegeben. Als sachlicher Billigkeitsgrund reiche es nicht aus, dass der Steuerpflichtige auf den Zeitpunkt der Festsetzung keinen Einfluss gehabt habe. Die Verzinsung sei in diesen Fällen als Ausgleich für mögliche Zinsvorteile des Schuldners bzw. Zinsnachteile des Gläubigers auch gewollt. Persönliche Billigkeitsgründe seien nach Aktenlage nicht ersichtlich.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 5.11.2001, eingegangen am 6.11.2001, Einspruch ein. Er habe durch den späteren Erlass der Umsatzsteuerbescheide keinen Zinsvorteil und das Finanzamt keinen Zinsnachteil gehabt; die Erhebung von Zinsen sei daher sowohl sachlich als auch persönlich unbillig.

Mit Schreiben vom 14.10.2001 beantragte der Kläger mit der gleichen Begründung wie für die Nachzahlungszinsen auch einen Erlass der Aussetzungszinsen zur Umsatzsteuer 1992 bis 1995 in Höhe von 13.702 DM. Auch diesen Erlassantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2001 ab. Weder sei auf die Erhebung der Zinsen gem. § 237 Abs. 4 AO zu verzichten, noch könnten diese gem. § 227 AO erlassen werden, da die Erhebung bzw. Einziehung der Zinsen nicht unbillig sei. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, jederzeit die Aussetzung der Vollziehung nicht in Anspruch zu nehmen. Die Aussetzungszinsen seien die Gegenleistung für den ihm durch die Aussetzung der Vollziehung gewährten Zahlungsaufschub. Der Kl. habe gegenüber denjenigen Steuerpflichtigen, die eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Anspruch nehmen, einen Zins- und Liquiditätsvorteil für die Dauer der Aussetzung gehabt. Dieser Zins- und Liquiditätsvorteil des Klägers sei unabhängig von etwaigen Vorsteuererstattungen des Fin...

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