Revision eingelegt (BFH II R 42/11)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags bei einem Wechsel auf der Veräußererseite
Leitsatz (amtlich)
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist ist zu gewähren, wenn ein leicht als Rechtsbehelfsschreiben zu erkennendes Schriftstück bei einem unzuständigen Finanzamt eingeht, der Mitarbeiter des Finanzamts dieses Schreiben ohne weiteres als Irrläufer erkennen kann und es gleichwohl zu den Akten nimmt und auch sonst nichts weiter veranlasst, vorausgesetzt, dass die fristgerechte Weiterleitung an die zuständige Behörde im ordentlichen Geschäftsgang hätte erwartet werden können.
2. Wählen die Parteien eines Grundstückskaufvertrages aufgrund einer entsprechenden Beratung durch den Notar bewusst und ausdrücklich den Weg der Aufhebung des bisherigen Kaufvertrages und den Abschluss eines neuen Vertrages mit einem anderen Vertragspartner, ist diese Vereinbarung regelmäßig nicht als Vertragsübernahme auszulegen.
3. Ein mit einem Nichteigentümer geschlossener Grundstückskaufvertrag ist auch dann rückgängig gemacht i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG, wenn er später wieder aufgehoben wird und der Erwerber gleichzeitig, d.h. in aufeinanderfolgenden Urkunden, einen neuen Kaufvertrag mit dem Eigentümer abschließt.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 1; AO § 110 Abs. 1-2, § 357 Abs. 1 S. 4; VwZG § 8; BGB §§ 133, 157, § 398 ff.; BGB §§ 414 ff.
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin schloss mit einer Nichteigentümerin einen Kaufvertrag über ein Grundstück, der später wieder aufgehoben wurde. Gleichzeitig mit dieser Aufhebung erwarb die Klägerin das Grundstück von der Eigentümerin. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Grunderwerbsteuerbescheid für den ersten Kauf nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) aufzuheben. Mit ihren Hilfsanträgen ficht die Klägerin den Grunderwerbsteuerbescheid für den zweiten Kauf an und begehrt den Erlass der Grunderwerbsteuer für den ersten bzw. den zweiten Kauf aus Gründen der sachlichen Billigkeit.
I.
1. Die aus den Herren A und B bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR) war Eigentümerin eines Grundstückes in C, X-Straße ... Das ca. ... qm große, zunächst ein einheitliches Flurstück bildende Grundstück war mit einem ca. im Jahr ... errichteten Mehrfamilienhaus bebaut.
Die Klägerin und Herr D (im Folgenden: Herr D) wollten das Grundstück derart gemeinsam erwerben, dass die Klägerin den bebauten Grundstücksteil erhalten sollte und die von Herrn D noch zu gründende E Verwaltungsgesellschaft mbH (im Folgenden: E GmbH) den unbebauten. Die GbR war jedoch nur bereit, an einen Erwerber zu veräußern. Die Parteien kamen überein, dass Frau D, die Ehefrau des Herrn D (im Folgenden: Frau D), das Grundstück insgesamt erwerben und die nicht vermessenen Teilflächen anschließend an die Klägerin und die noch zu gründende E GmbH weiterveräußern solle. Den Gesamtpreis in Höhe von Euro ... sollte die Klägerin in Höhe von Euro ... tragen und die E GmbH in Höhe von Euro ....
2. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom ... 2008 (UR-Nr. ..., Anlage K 2, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband) erwarb Frau D das Grundstück von der GbR zum Preis von Euro ..., zahlbar binnen sechs Wochen nach Vertragsschluss auf ein Notaranderkonto (im Folgenden: Notaranderkonto des Ankaufs). Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung wurde bewilligt und beantragt.
3. Mit Vertrag vom selben Tag (UR-Nr. ..., Grunderwerbsteuerakten "D" -GrEStA A- Bl. 3 ff.) veräußerte Frau D eine noch nicht vermessene Teilfläche dieses Grundstücks von ca. ... qm, auf der sich das Gebäude befand, an die Klägerin zum Preis von Euro ... zuzüglich zu erstattender Grunderwerbsteuer aus dem Ankauf des Grundstücks in Höhe von Euro ... Die zugunsten der Verkäuferin Frau D aus dem vorangegangenen Vertrag noch einzutragende Auflassungsvormerkung wurde an die Klägerin abgetreten. Der Kaufpreis sollte sechs Wochen nach Beurkundung auf ein Notaranderkonto (im Folgenden: Notaranderkonto des Verkaufs) überwiesen und durch den Notar auf das Notaranderkonto des Ankaufs weitergeleitet werden, sobald die Eintragung der Abtretung der Auflassungsvormerkung und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch gesichert wären.
II.
1. Die von Herrn D mittlerweile gegründete E GmbH zahlte den auf sie entfallenden Kaufpreisanteil von Euro ... für Frau D fristgemäß auf das vereinbarte Notaranderkonto des Ankaufs ein. Dagegen konnte die Klägerin die vereinbarte Summe erst am 12.09.2008 auf dem Notaranderkonto des Verkaufs hinterlegen. Da das Grundstück inzwischen in zwei neu eingetragene Flurstücke aufgeteilt worden war, war die GbR nunmehr bereit, die Flurstücke separat an zwei Parteien zu veräußern. Die GbR, die E GmbH, Frau D und die Klägerin kamen daher überein, die geschlossenen Kaufverträge aufzuheben und stattdessen neue Verträge...