Revision eingelegt (BFH VII R 31/21)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Begünstigungsfähige Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit - Kuppelprodukte in der Stromsteuer - Begünstigter der Stromsteuerbefreiung bei der Stromerzeugung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Begünstigungsfähig als Strom zur Stromerzeugung kann auch der Verbrauch von der unmittelbaren Energieumwandlung vor- und nachgelagerten Prozessen sein:

Transport von Brennstoff in ein Lager, seine Lagerung und der Weitertransport zur Stromerzeugungseinheit, die Rauchgasreinigung durch E-Filter und Transport und Lagerung von Chemikalien für die Rauchgasreinigung.

2. Die energiesteuerrechtliche Kuppelprodukte-Rechtsprechung des BFH und des EuGH ist auf die Stromsteuer übertragbar. In der Folge ist der Stromverbrauch von Prozessen nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG privilegiert, durch die Kuppelprodukte entstehen, bei deren Vermarktung ein Wettbewerbsverhältnis zu stromsteuerlich nicht privilegierten Produktionsbetrieben entsteht:

Abzug, Bearbeitung, Lagerung und Abtransport von industriell verwertbarer Asche und Gips.

3. Die restriktive, streng betriebsbezogene Sichtweise der Rechtsprechung zur Begünstigteneigenschaft bei Unternehmen des Produzierenden Gewerbes kann nicht unmittelbar auf die Stromsteuerbefreiung zur Stromerzeugung übertragen werden, weil zwischen den Vorschriften des § 9b StromStG und des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG entscheidende systematische und dogmatische Unterschiede bestehen.

4. Begünstigter der Stromsteuerbefreiung zur Stromerzeugung kann der Betriebsinhaber auch dann sein, wenn er sich unter den besonderen Umständen des Einzelfalls eines Dienstleistungsunternehmens bedient und das Personal des Dienstleistungsunternehmens in besonderer Weise weisungsabhängig und arbeitsteilig tätig wird.

 

Normenkette

StromStG § 2 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 9b; EnergieStG § 37; EGRichtl-2003/96 Art. 14, 21

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Stromsteuerbefreiung für Strom zur Stromerzeugung.

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2016 und 2017 ein Steinkohlekraftwerk zur Stromerzeugung. Sie verfügte über die Erlaubnis, Strom zur Stromerzeugung steuerfrei nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG) zu entnehmen und über die Erlaubnis, Kohle nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) steuerfrei als Heizstoff zur Stromerzeugung zu verwenden.

Für den Kraftwerksbetrieb verantwortlich war der Kraftwerksleiter, in dessen Abwesenheit der Produktionsleiter und in dessen Abwesenheit der Schichtleiter. Der Schichtleiter war verantwortlich für den Betrieb der Anlagen und technischen Systeme des Kraftwerks. Er war weisungsbefugt gegenüber den Mitarbeitern der Klägerin und dem Personal eines Dienstleistungsunternehmens, mit dem die Klägerin zur Abdeckung von Arbeitsspitzen einen Vertrag über die Durchführung von Tätigkeiten der Ver- und Entsorgung geschlossen hatte. Die personalintensiven Schiffsbe- und -entladevorgänge betreffend Kohle und Reststoffe kamen nicht laufend vor, denn verschiedene Lager auf dem Kraftwerksgelände dienten als Puffer zur zeitlichen Entkopplung der Ver- und Entsorgung vom laufenden Kraftwerksbetrieb. Auf den Vertrag vom ... wird Bezug genommen.

Die Klägerin beschäftigte in ihrem Kraftwerk ca. ... eigene Mitarbeiter. Zusätzlich waren laufend ... Mitarbeiter des Dienstleistungsunternehmens auf dem Betriebsgelände tätig, die sich im Schichtbetrieb aus insgesamt ... ausschließlich für die Klägerin tätigen Mitarbeitern zusammensetzten. In den Zeiten der Schiffsbe- und -entladung stellte das Dienstleistungsunternehmen zusätzlich pro Schicht ... Kranfahrer und weiteres logistisches Personal (z.B. Schiffstrimmer).

Der Kraftwerksbetrieb wurde wesentlich über ... Arbeitsplätze im Kraftwerksleitstand gesteuert, die mit dem Schichtleiter und ... weiteren Mitarbeitern der Klägerin sowie dem sog. Ver- und Entsorgungs-Koordinator (V+E-Koordinator) des Dienstleistungsunternehmens besetzt waren. Die Leitstandsfahrer der Klägerin steuerten mittels der "Leitstände A und B" die "Kraftwerksblöcke A und B" und mittels des "Leitstands Y" übergeordnete Vorgänge, die sich nicht eindeutig einem der beiden Blöcke zuordnen ließen (z.B. die Wasseraufbereitung). Der V+E-Koordinator steuerte mittels des "Leitstands V+E" zahlreiche Ver- und Entsorgungsprozesse im Kraftwerk. Er wurde bei kurzfristiger Abwesenheit von einem Leitstandsfahrer der Klägerin vertreten. Der Schichtleiter konnte mit dem übergeordneten Schichtleiterpult alle Aggregate bedienen und im Bedarfsfall die komplette Steuerung inklusive spezieller (Override-)Funktionen übernehmen, für die er die ausschließliche Berechtigung hatte.

In täglichen Betriebsbesprechungen, den sog. Bekohlungsrunden, stimmten die Beschäftigten der Klägerin und der V+E-Koordinator die Kraftwerksprozesse ab. Stets begann der V+E-Koordinator die Bekohlungsrunde durch einen Statusbericht der letzten Schiffsentladungen, der Schichtung der Kohle in den Kohlekreislagern und möglicher Defekte oder Probleme ...

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