Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung einer zu medizinischen Zwecken verwendeten Kunststoffschraube

 

Leitsatz (amtlich)

Eine zu medizinischen Zwecken verwendete Kunststoffschraube, die sich nach Implantation im menschlichen Körper auflöst ist nicht als orthopädisches Hilfsmittel im Zolltarif einzuordnen.

 

Normenkette

KN Allgemein

 

Tatbestand

Streitig ist die Tarifierung einer sog. absorbierbaren Interferenzschraube, die in der Orthopädie und der Unfallchirurgie zur Verblockung von Transplantaten (Kreuzbandplastik) verwendet wird. Bei der Ware handelt es sich um eine hohle Schraube aus Kunststoff mit einem Gewinde und einem Schraubenkopf, der eine sechskantige Öffnung aufweist, die für den Ansatz eines Schraubendrehers (Sechskant) geeignet ist. Aufgrund des Hydrolyseprozesses baut sich die Schraube im menschlichen Körper ab.

Die Klägerin beantragte die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über die Codenummer 901 89 085 0 des Deutschen Gebrauchszolltarifs. Nach der Beschreibung handelte es sich um eine absorbierbare Interferenzschraube, 9 x 23 mm, aus Poly-Lactic-Acid (PLA) zur Verblockung von Transplantaten (Kreuzbandplastik, Knie) im Bereich der Orthopädie / Unfallchirurgie. Mit der vZTA vom 20.12.2000 reihte der Beklagte die Ware in die Codenummer 3926 9099 90 an. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem fristgerecht eingelegten Einspruch. Nach Einholung von Stellungnahmen der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) des Beklagten sowie der ZPLA Berlin, der Oberfinanzdirektion Cottbus, die u.a. für die Erteilung verbindlicher Zolltarifauskünfte für Waren des Kapitels 90 zuständig ist, blieb der Rechtsbehelf erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 09.07.2002 abgesandt.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr rechtliches Begehren weiter. Hierzu trägt sie vor: Bei der absorbierbaren Interferenzschraube handele es sich um eine Ware, die ausschließlich als orthopädisches Hilfsmittel im Rahmen chirurgischer Eingriffe verwendet werden könne. Der Ware komme keine allgemeine Verwendungsmöglichkeit zu, wie von Anmerkung 2 Buchstabe a zu Abschnitt XV gefordert werde. Absorbierbare Interferenzschrauben zeichneten sich dadurch aus, dass sie im menschlichen Organismus abgebaut würden. Dieser Abbauprozess basiere auf sog. Hydrolyse. Dabei werden die aus Polymer bestehenden Schrauben durch Wasser zersetzt. Zu diesem Zersetzungsprozess komme es aufgrund der allgemeinen Luftfeuchtigkeit auch außerhalb des menschlichen Organismus. Aus diesem Grunde sei es zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der absorbierbaren Interferenzschrauben erforderlich, die Schrauben steril zu verpacken und unter Ausschluss jeglicher Feuchtigkeit zu lagern. Unterbleibe dies, zersetzten sie sich und verlören damit ihre Verwendungsmöglichkeit. Im menschlichen Organismus verfügten die Interferenzschrauben nur über eine kurzfristige Fixationswirkung von mehreren Wochen.

Die Interferenzschrauben seien nach Position 9021 KN, hilfsweise nach Position 9018 KN, zu tarifieren. Der Gegenstand als solcher sei nach Kapitel 90 KN zu tarifieren, da es sich um eine Ware handele, die wie Platten oder Nägel dazu diene, zu orthopädischen Zwecken von Chirurgen im menschlichen Körper angebracht zu werden (Erläuterung HF Rz. 28.1 zu Position 9021 KN). Entgegen der Auffassung des Beklagten sei Kapitel 90 KN auch anwendbar, denn es handele sich bei den absorbieren Interferenzschrauben nicht um "Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit" im Sinne der Anmerkung 1 Buchstabe f zu Kapital 90 KN i.V.m. Anmerkung 2 zu Abschnitt XV. Zwar seien danach Waren aus unedlen Metallen und gleichartige Waren aus Kunststoffen (Kapital 39) nicht in das Kapital 90 einzutarifieren. Nach der Rechtsprechung des BFH gelte dies jedoch nur, wenn die Möglichkeit bestehe, die Waren für normale Verschraubungen einzusetzen. Diese Möglichkeit sei bezüglich der Interferenzschrauben nicht gegeben, denn bereits normale Luftfeuchtigkeit reiche aus, um den sog. Hydrolyseprozess in Gang zu setzten, so dass die Schrauben binnen kürzester Zeit ihre Festigkeit verlören und sich zersetzten. Die absorbierbaren Interferenzschrauben seien demgemäß nur geeignet, für einen kurzen Zeitraum Gewebeteile im menschlichen Körper miteinander zu verbinden, verfügten damit aber nicht über eine allgemeine Verwendungsmöglichkeit im Sinne der BFH-Rechtsprechung (Beschluss vom 07.05.2002, VII B 189/01, ZfZ 2002 S. 267).

Die Klägerin beantragt, die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.12.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2002 aufzuheben und eine verbindliche Zolltarifauskunft zu erteilen, die die absorbierbaren Interferenzschrauben nach Position 9021 9090 KN, hilfsweise Position 9018 9085 KN einreiht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass es für die zolltarifliche Einordnung nach der Rechtsprechung lediglich darauf ankomme, ob die Möglichkeit bestehe, eine Spezialschraube für eine normale Verschraubung einzusetzen, und zwar un...

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