Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche Verlustfeststellung für atypisch stille Gesellschafter der Hanseatischen AG (HAG)

 

Leitsatz (amtlich)

Zivilrechtlich handelt es sich nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft auch dann um atypisch stille Gesellschafter, wenn diese so behandelt wurden, ohne dass die Hauptversammlung der AG ihrem Beteiligungsvertrag zugestimmt hat und ohne dass dieser als Teil-Gewinnabführungsvertrag im Handelsregister eingetragen ist.

Steuerrechtlich sind die atypisch stillen Gesellschafter keine Mitunternehmer und fehlt es für ihr Mitunternehmerrisiko an der laufenden Ergebnisbeteiligung bei automatisch zugewiesenen festen Garantiegewinnen für die Folgejahre.

Die den zwar atypisch aber nicht mitunternehmerisch stillen Gesellschaftern im Beitrittsjahr zugewiesenen Verluste sind nach Bejahung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr der Verbuchung zu berücksichtigen; sie sind steuerlich der Höhe nach bei unzulässiger Rückbeziehung zu reduzieren (hier auf 60 % der Einlage).

Nach dem im Bundesanzeiger und in Tageszeitungen veröffentlichten Beschluss zur Beiladungsbegrenzung erstreckt sich die Rechtskraft der Urteile auf alle atypisch stillen Gesellschafter, die gemäß diesem Beschluss die Beiladung zu den streitjahrbezogenen Klageverfahren hätten beantragen dürfen.

 

Normenkette

AktG §§ 291, 293-294; AO §§ 38, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; FGO §§ 60a, 110; HGB § 230

 

Tatbestand

I. SACHSTAND

1. Einleitung

Der Kläger ist der Hanseatischen Aktiengesellschaft Elektrizitätswerk- und Umwelttechnik (HAG) als atypisch stiller Gesellschafter beigetreten und begehrt die Berücksichtigung ihm im Beitritts- und Streitjahr zugewiesener Verluste, hilfsweise die Berücksichtigung des nicht anerkannten Teils der Verluste aus dem Beitrittsjahr im Folgejahr oder im Jahr der Konkurseröffnung 1997.

Streitig ist, ob oder inwieweit der Kläger nach seiner Beitrittserklärung als atypisch stiller Gesellschafter Mitunternehmer geworden ist, ob oder inwieweit er und die HAG mit Gewinn(erzielungs)absicht handelten und ob oder inwieweit Verluste oder Aufwendungen wann wem zuzurechnen sind.

a) Insgesamt sind von 1990 bis 1996 atypisch stille Beteiligungen an der HAG in fünfstelliger Zahl geworben worden, in noch größerer Zahl typisch stille Beteiligungen an der HAG sowie mittelbare Beteiligungen über die verbundenen Unternehmen (Beklagten-Anlage -Anl. FA- III Rz. 85.3). Die Einlagen betrugen von den atypisch stillen Gesellschaftern (Typ S) mehr als 200 Mio. DM, von allen stillen Gesellschaftern der HAG zusammen mehr als 400 Mio. DM; hinzu kamen die mittelbaren Beteiligungen (Anl. FA III Rz. 44, 45, 85.4).

b) Aktienrechtlich wurden die stillen Beteiligungen (§§ 230 ff Handelsgesetzbuch -HGB-) mit den darin geregelten Verlust- und Gewinnzuweisungen als Unternehmensverträge behandelt, mit denen Teilergebnisse abgeführt wurden (§ 291 ff Aktiengesetz -AktG-).

c) Aufgrund solcher Verlustzuweisungen an die jeweils neu eintretenden atypisch stillen Gesellschafter verrechnete die HAG in ihren Jahresabschlüssen Verluste (in 1990-1992 je siebenstelliger, 1993-1995 je achtstelliger, 1996 neunstelliger Höhe) mit "Erträgen" aus neuen atypischen Einlagen (in bis 1992 je siebenstelliger, ab 1993 je achtstelliger Höhe). Mit dieser Methode wies die HAG in ihren Bilanzen 1991-1992 nicht die tatsächlich erwirtschafteten Millionenverluste und 1990, 1993-1995 sogar Gewinne aus.

Auf diese Weise wurde den neu beigetretenen atypisch stillen Gesellschaftern von der HAG unter der allseits verwendeten Bezeichnung "Verluste" tatsächlich der Großteil der verlustbringenden Aufwendungen zugewiesen (unten 7 a; Anl. FA XI). Dabei wurden diese nicht mit den vergleichsweise geringen Erträgen saldiert, die die HAG dann in ihrer eigenen Bilanz gewinnwirksam darstellte.

Die HAG erstellte für sich und die atypisch stillen Gesellschafter keine konsolidierten Bilanzen oder Jahresabschlüsse, in denen die tatsächliche Höhe der erwirtschafteten Verluste mit den Einlagenverlusten der stillen Gesellschafter auszuweisen gewesen wären (Anl. FA III Rz. 77, 85.4, 99).

d) Mangels konsolidierter Abschlüsse war auch nicht ersichtlich, dass oder in welchem Umfang die Ausschüttung versprochener Mindestgewinne an die in den Vorjahren beigetretenen stillen Gesellschafter durch die neuen Einlagen finanziert wurde.

e) Die Verlustzuweisungen der HAG bis 1996 waren u.a. bereits Gegenstand einer Beschwerde wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) an den Bundesfinanzhof (BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 IV B 42/02 , BFH/NV 2002, 1447; Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2002, 1339; zum "Untergang der Hanseatischen AG" insgesamt vgl. Anl. D 7, d. h. Jürgen Deeg: "Und alles im öffentlichen Interesse", Frankfurt a.M. 2003).

2. Rechtsform der HAG

a) Die HAG wurde 1989 mit der ursprünglichen Firma "Hanseatische Aktiengesellschaft Immobilien & Innovative Technik Investitionen" gegründet und im Hande...

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