rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Werbungskostenabzug für Fortbildungsveranstaltungen mit Wanderprogramm
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für eine Seminarwoche sind keine Werbungskosten, wenn jeweils der halbe Tag mit Wanderungen verbracht wird, unabhängig davon, ob der Veranstalter die Teilnahme fordert und während der Wanderungen Fachgespräche geführt werden.
Normenkette
EStG §§ 9, 12
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Werbungskosten.
Die Klägerin erzielt Einnahmen aus der nichtselbständigen Tätigkeit als Orthoptistin (Der Beruf des Orthoptisten ist ein medizinischer Fachberuf. Orthoptisten unterstützen Ärzte bei der Diagnose und Therapie von Störungen der Augen. Die Ausbildung erfolgt an Fachschulen).
Vom 12.9. bis 18.9.1999 und vom 21.5. bis 27.5.2000 nahm die Klägerin jeweils an der "Strabologischen Seminarwoche im Berufsverband der Augenärzte" teil (Strabologie ist ein Spezialfach innerhalb der Ophthalmologie = Augenheilkunde. Die Strabologie beschäftigt sich mit dem Schielen und Schieloperationen). Diese Veranstaltungen fand im Jahr 1999 in A in der Sächsischen Schweiz und im Jahr 2000 in St. Ulrich/Gröden in Südtirol statt.
In Tagungsbroschüren, die die Klägerin im Einspruchsverfahren auszugsweise vorgelegt hat, findet sich jeweils das Veranstaltungsprogramm. Täglicher Beginn war regelmäßig um 8.30 Uhr, Ende überwiegend um 19.00 Uhr. Täglich wurden Vorträge gehalten, überwiegend in Blöcken von durchschnittlich 4 bis 41/2 Stunden. Weitere 4 bis 61/2 Stunden täglich sollte demnach "Strabologie in kleinen Gruppen" durchgeführt werden. Die übrige Zeit stand jeweils für Pausen und Mittagessen zur Verfügung.
Die von der Klägerin für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen geltend gemachten Aufwendungen (1999: DM 1.477, 2000: DM 2.017, davon jeweils DM 170 Tagungsbeitrag) wurde in den Einkommensteuerbescheiden 1999 vom 1.6.2001 und 2000 vom 20.11.2001 erklärungsgemäß berücksichtigt.
Durch die Oberfinanzdirektion Hannover erhielt der Beklagte eine Kontrollmitteilung, dass während der Zeiten, in denen offiziell "Strabologie in kleinen Gruppen" veranstaltet wurde, tatsächlich Wanderungen, Weinproben und ähnliches durchgeführt worden seien. Hierzu gebe es für das Jahr 2000 ein zweites, inoffizielles Reiseprogramm des Veranstalters.
Wie sich aus einem für die Veranstaltung im Jahr 2000 vorliegenden "Wochenplan" ergibt, fanden während der im Veranstaltungsprogramm für "Strabologie in kleinen Gruppen" vorgesehenen Zeiten folgende Aktivitäten statt: - Fußweg zum Raschötz-Sessellift, Auffahrt, kurze Getränkepause beim Gasthof, Wanderung zur Brogles-Alm, kurze Rast, Abstieg über Furnes nach St. Ulrich; - Busfahrt zum Parkplatz Völser Weiher, Fußweg zum Restaurant, Mittagessen, Rundgang Völser Weiher und Wanderung nach Seis, Rückfahrt mit Bussen; - Fahrt mit Bussen nach Bozen, Stadtbesichtigung auf eigene Faust, Bummel, Fußweg oder Busfahrt zur Kellerei, Weinprobe mit Jause, Rückfahrt; - Busfahrt nach Daunei, Mittagessen mit Lunchpaketen, Aufstieg zur Gamsblut Hütte, Wanderung über St. Jakob mit Kirchenbesichtigung nach St. Ulrich; - Fußweg zur Seiser Alm-Seilbahn, Auffahrt zur Bergstation, Wanderung zur Sanon-Hütte, dort Mittagessen, Wanderung über Hartl-Alm ins Jendertal, Rückfahrt.
Der Beklagte änderte am 2.9.2003 die Bescheide (Bl. 105, 108 Einkommensteuerakte) gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und berücksichtigte die Aufwendungen nicht mehr. Zur Begründung heißt es in den Bescheiden, dass gemäß einer Kontrollmitteilung der Oberfinanzdirektion Hannover die Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehbar seien.
Die Klägerin legte am 19.9.2003 Einspruch ein und begründete ihn wie folgt: Die Veranstaltung informiere auf höchstem Niveau über neue wissenschaftliche Erkenntnisse, neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Sie gebe Raum zu fachlicher Erörterung und Austausch. Diese Weiterbildung benötige die Klägerin für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit als Orthoptistin. Zudem nutze sie die Möglichkeit, die Referenten für Beiträge in der vom Berufsverband der Orthoptistinnen Deutschland e.V. herausgegebenen Fachzeitschrift "...(B)" zu gewinnen, für die sie als Mitglied des Redaktions-Gremiums des Verbandes verantwortlich sei. In den Vorjahren seien ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit sämtlich als Werbungskosten anerkannt worden.
Ihrem Einspruch fügte die Klägerin ein Schreiben des Veranstalters vom 3.9.2003 bei, das allgemein an Steuerberater gerichtet war. In diesem Schreiben heißt es unter anderem: "Die für alle Teilnehmer verpflichtenden Kleingruppendiskussionen nach den Vorträgen und Workshops werden soweit möglich unter freiem Himmel durchgeführt, was eine ideale Voraussetzung schafft, mit Spitzendozenten unter geringer Hemmschwelle weiter diskutieren zu können. Selten (z.B. bei der 25. Jubiläums-Seminarwoche) wurde stattdessen einmalig in der Woche z.B. eine nachmittägliche Stadtbesichtigung durchgeführt."
Der Beklagte wies den Einspruch mi...