Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht: Verfall einer Sicherheit für Zucker-Zusatzzoll
Leitsatz (amtlich)
1. Die gemäß Art. 38 Abs. 2 VO (EG) Nr. 951/2006 i. V. m. Art. 27 Abs. 1 VO (EG) Nr. 318/2006 vorzunehmende Plausibilitätsprüfung dient der Feststellung, ob der angemeldete cif-Einfuhrpreis unplausibel ist.
2. Die Überprüfung ist einzelfallbezogen vorzunehmen.
3. Zum Maßstab der "Zufriedenheit der Behörde" gemäß Art. 38 Abs. 4 Satz 1 VO (EG) 951/2006.
4. Dass das Einfuhrgeschäft mit einem wirtschaftlichen Verlust abgeschlossen worden ist, kann ein Indiz für fehlende Plausibilität sein, reicht aber bei Vorliegen einer hinreichenden Erklärung für den Verlust allein nicht aus, um die bei Einfuhr geleistete Sicherheit verfallen zu lassen.
Normenkette
EGV 951/2006 Art. 36, 38 Abs. 2, 4; EGV 318/2006 Art. 27 Abs. 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Sache darüber, ob der im Zusammenhang mit der Erhebung von Zusatzzoll von der Klägerin angegebene Zucker-Einfuhrpreis plausibel ist und der Beklagte deswegen den Teil der von der Klägerin geleisteten Sicherheit freizugeben hat, der über den auf der Grundlage des angegebenen Preises unstreitig berechneten Zusatzzolls hinausgeht.
I.
Der Fall hat folgenden rechtlichen Hintergrund:
Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20.02.2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO 318/2006) und der Verordnung (EG) Nr. 951/2006 der Kommission vom 30.06.2006 mit Durchführungsbestimmungen zur VO 318/2006 des Rates für den Zuckerhandel mit Drittländern (VO 951/2006) kann bei der Einfuhr von Zucker neben dem festen Zoll noch zusätzlicher Einfuhrzoll berechnet und erhoben werden. Art. 27 Abs. 1 VO 318/2006 regelt, dass zur Vermeidung oder Behebung von Nachteilen für den Gemeinschaftsmarkt die Einfuhr von Zucker von der Zahlung eines zusätzlichen Einfuhrzolls abhängig gemacht wird, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, es sei denn, es steht nicht zu befürchten, dass die Einfuhren eine Störung des Gemeinschaftsmarktes verursachen, oder die Auswirkungen in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Gemäß Art. 27 Abs. 2 VO 318/2006 kann ein zusätzlicher Einfuhrzoll erhoben werden auf Einfuhren, die zu Preisen erfolgen, die unter den der Welthandelsorganisation von der Gemeinschaft mitgeteilten Preisen liegen ("Auslösungspreis"). Der Zusatzzoll wird anhand des Preises bestimmt, zu dem der jeweilige Zucker eingeführt wird ("cif-Einfuhrpreis"). Weiter bestimmt die Vorschrift, dass diese Einfuhrpreise überprüft werden unter Zugrundelegung eines "repräsentativen Preises" des betreffenden Erzeugnisses auf dem Weltmarkt oder dem Gemeinschaftsmarkt.
Die Höhe des zu erhebenden Zusatzzolls ist in Art. 39 VO 951/2006 bestimmt. Er ist gestaffelt und richtet sich nach der Höhe der Differenz zwischen dem cif-Einfuhrpreis und dem Auslösungspreis, und beträgt gemäß Art. 37 VO 951/2006 53,10 €/100 kg für den streitgegenständlichen Zucker des KN-Codes 1701 9910. Auf dieser Grundlage berechnete sich der Zusatzzoll etwa für den Fall eines cif-Einfuhrpreises von 41,20 €/100 kg - diesen Preis hat die Klägerin angemeldet - unstreitig auf 1,977 €/100 kg. Nach den Vorschriften ist der vom Einführer angemeldete cif-Einfuhrpreis zudem einer Überprüfung zu unterziehen, falls er höher ist als der "repräsentative Zuckerpreis". Der repräsentative Zuckerpreis ist in Art. 36 Abs. 2 VO 951/2006 definiert und betrug gemäß Verordnung (EG) Nr. 842/2008 der Kommission vom 27. August 2008 zur Änderung der im Zuckersektor für bestimmte Erzeugnisse geltenden repräsentativen Preise und der Beträge der zusätzlichen Einfuhrzölle gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1109/2007 für das Wirtschaftsjahr 2007/08 zum maßgeblichen Zeitpunkt EUR 28,20 €/100 kg. Art. 38 Abs. 2 VO 951/2006 bestimmt, dass der Importeur gegebenenfalls bestimmte Nachweise vorzulegen hat und die Behörde weitere Ermittlungen anstellen kann. Liegt ein zu überprüfender Einfuhrfall vor, muss der Importeur bei der Einfuhr eine Sicherheit hinterlegen, und zwar in Höhe des auf der Grundlage des repräsentativen Preises berechneten Zusatzzolls, auf den der ohnehin zu entrichtende und auf der Grundlage des angegebenen cif-Einfuhrpreises berechnete Zusatzzoll angerechnet wird, Art. 38 Abs. 3 VO 951/2006. Diese Sicherheit wird gemäß Art. 38 Abs. 4 VO 951/2006 freigegeben - und es bleibt bei dem aufgrund seiner Angaben zunächst errechneten Zusatzzoll -, "sofern der Nachweis für die Veräußerungsbedingungen zur Zufriedenheit der zuständigen Behörden erbracht wird. Andernfalls verfällt die Sicherheitsleistung durch Zahlung der zusätzlichen Einfuhrzölle."
II.
1. Die Klägerin wurde 2007 von drei großen Zuckerunternehmen, einem deutschen, einem französischen und einem britischen, als gemeinsame Organisation für Einfuhr von Bio-Rohrzucker aus Drittländern und dessen Vertrieb in der EU gegründet. Dem Beschluss ihrer Gesellsch...