Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für in Deutschland lebende tunesische Staatsangehörige
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente handelt es sich weder um eine Geldleistung der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit noch um solche der Arbeitslosenversicherung.
Normenkette
EStG §§ 62, 63 Abs. 1 S. 3; Deutsch-tunesisches Abkommen über Kindergeld Art. 5; Deutsch-Tunesisches Abkommen über Kindergeld Art. 7 Abs. 1; Deutsch-tunesisches Abkommen über Kindergeld Art. 7 Abs. 2-3
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Festsetzung für Kindergeld für die beiden Kinder des Klägers A, geboren am ... 20... und B, geboren am ... 20..., streitig.
Der Kläger ist tunesischer Staatsangehöriger und lebt seit ... 19... in Deutschland. Seit ...19... bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 343,56 Euro (ab 01.07.2013). Die beiden Kinder leben bei der Kindesmutter in Tunesien in C.
Den Antrag des Klägers auf Festsetzung von Kindergeld vom 20.07.2007 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2008 ab.
Der Kläger beantragte am 27.06.2013 erneut Kindergeld für seine beiden Kinder. Er legte dabei eine Heiratsurkunde vor, wonach er seit ... 19... mit der Mutter der Kinder verheiratet ist.
Mit Bescheid vom 17.07.2013 lehnte die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für die beiden Kinder ab, da die Kinder ihren Wohnsitz in Tunesien hätten und der Kläger weder arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt sei noch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III; zum Beispiel Arbeitslosengeld I oder Krankengeld) beziehe und somit die Voraussetzungen für die Kindergeldfestsetzung auch nach den deutsch-tunesischen Kindergeldabkommen nicht vorlägen.
Der Kläger legte am 21.10.2013 an Amtsstelle Einspruch dagegen ein und führte dazu aus, die Ablehnung verstoße gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Die Erwerbsunfähigkeitsrente sei eine vergleichbare Leistung. Er habe den Bescheid, mit dem sein Antrag abgelehnt worden sei, erst am 14.10.2013 erhalten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.01.2014 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger zu Protokoll der Geschäftsstelle am 24.01.2014 Klage mit dem Ziel der Festsetzung von Kindergeld für seine beiden Kinder.
Zur Begründung führt er aus, die Ablehnung verstoße gegen das deutsch-tunesische Abkommen über soziale Sicherheit. Dort seien als begünstigte Leistungen genannt unter anderem das Krankengeld und vergleichbare Leistungen. Hierzu gehöre auch die Erwerbsunfähigkeitsrente. Er beantrage, den tunesischen Sozialattaché zu hören, der bekunden würde, dass das deutsch-tunesische Kindergeldabkommen kein Vertragsbestandteil des deutschen Einkommensteuergesetzes oder des deutschen Bundeskindergeldgesetzes sei und ferner, dass das Abkommen sich auch auf diejenigen beziehe, die Grundsicherung, Erwerbsunfähigkeitsrente, Altersrente etc. beziehen würden und die ohne Zweifel einen Anspruch auf Kindergeld hätten. Die Auslegung durch die Beklagte stelle eine Verfälschung des Inhalts des deutsch-tunesischen Kindergeldabkommens dar.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Ablehnungsbescheides vom 17.07.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.01.2014 die Beklagte zu verpflichten, für den Kläger Kindergeld für seine beiden Kinder festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unbegründet und verweist wegen der Rechtslage auf das deutsch-tunesische Abkommen über Kindergeld vom 20.09.1991 (BGBl. II 1995, 642).
Mit Beschluss vom 27.05.2014 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen. Für den weiteren Sachstand wird auf den Inhalt des Protokolls über den Erörterungstermin vom 23.05.2014 (Blatt 31, 32 Gerichtsakte - GA) und über die mündliche Verhandlung vom 24.07.2014 (Blatt 46 ff. GA) verwiesen.
Die Kindergeldakte Nr. ... hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht durch die Einzelrichterin, nachdem der Rechtsstreit auf sie übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1 FGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 17.07.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.01.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Ein Anspruch auf Kindergeld gemäß § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) besteht nicht, weil nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG Kinder nicht berücksichtigt werden, die weder im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und die nicht im Haushalt eines Berechtigten i. S. v. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG leben.
Die Kinder des Klägers leben in Tunesien bei ihrer Mutter und erfüllen deshalb nicht die oben genannten Voraussetzungen. Im Fall des Klägers liegen auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1...