Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfuhrerstattung: Rückforderung von Ausfuhrerstattung - produktionsbezogener Nachweis bei Nicht-Anhang II-Waren

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Ausführer, der am vereinfachten Verfahren teilnimmt, hat grundsätzlich einen urkundlichen Nachweis über die Mengen der für die Herstellung der ausgeführte Waren tatsächlich verwendeten Erzeugnisse zu erbringen.

Ist ein Ausführer aufgrund höherer Gewalt nicht in der Lage, diesen urkundlichen Nachweis zu führen, so ist er ausnahmsweise berechtigt, den Nachweis über die Mengen der für die Herstellung der ausgeführten Ware tatsächlich verwendeten Erzeugnisse auch in anderer Form zu erbringen, sofern diese andere Nachweisform eine gleichwertige Kontrolle der Angaben in der Ausfuhranmeldung ermöglicht (Änderung der Rechtsprechung).

Als andere Form des Nachweises kommen vor allem frühere Kontrollen gleichartiger Waren und in diesem Zusammenhang von der zuständigen Behörde bereits akzeptierte Unterlagen in Betracht (vgl. EuGH, Urteil vom 9.11.2006, C-120/05).

 

Normenkette

EGV 1222/94 Art. 3 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1; EWGV 3665/87 Art. 11 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Die Klägerin führte im Jahre 1996 Leb- und Honigkuchen in verschiedene Drittländer aus. Das beklagte Hauptzollamt gewährte der Klägerin für die in diesen sog. Nicht-Anhang II-Waren (jetzt: Nicht-Anhang I-Waren) enthaltenen Grunderzeugnisse antragsgemäß Ausfuhrerstattung. In den jeweiligen Erstattungsanträgen hatte die Klägerin hinsichtlich der erstattungsfähigen Grunderzeugnisse auf Herstellererklärungen Bezug genommen, die sie im Rahmen eines ihr vom beklagten Hauptzollamtes gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 genehmigten vereinfachten Verfahrens abgegeben hatte.

Durch einen Großbrand im ... 1997 wurden die Produktionsstätten sowie die Verwaltungsabteilungen der Klägerin weitgehend zerstört, der Betrieb wurde im ... 1997 stillgelegt.

Im Oktober 1999 führte das Hauptzollamt für Prüfungen A eine Prüfung der Herstellererklärungen gemäß § 15 MOG durch. Diese Prüfung führte - u.a. - zu der Feststellung, dass die für die Überprüfung der Richtigkeit der jeweiligen Herstellererklärungen erforderlichen Betriebsunterlagen bei dem Großbrand im ... 1997 vernichtet worden waren. Daraufhin forderte das beklagte Hauptzollamt mit Berichtigungsbescheiden vom 28.8.2000 Ausfuhrerstattung in Höhe von insgesamt DM 26.174,84 unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) 3665/87 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe nicht die nach Art. 7 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1222/94 erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Überprüfung ihrer nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1222/94 abgegebenen Herstellererklärungen beibringen können. Auf die Gründe, weshalb die Prüfung der Richtigkeit der Herstellererklärungen nicht möglich gewesen sei, komme es nicht an. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Da die Erstattungsgewährung unter dem Vorbehalt einer Bestätigung des Ausfuhrerstattungsanspruchs durch eine spätere Prüfung der erstattungsrelevanten Unterlagen stehe, habe sie nicht damit rechnen können, die gewährten Vergünstigungen behalten zu dürfen.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin am 05.06.2003 Klage erhoben. Sie verweist auf den Brand in ihrem Betrieb im ... 1997 und darauf, dass durch das Feuer und das Löschwasser fast alle Belege vernichtet worden seien. Es könne nicht angehen, dass die Ausfuhrerstattung verweigert werde, weil Unterlagen ohne Verschulden des Ausführers untergegangen seien.

Das beklagte Hauptzollamt tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und meint, dass die Klägerin ihrer Nachweispflicht nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 nicht nachgekommen sei. Auf höhere Gewalt könne sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Weder die Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 noch die Regelung des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 lasse nämlich eine Ausnahme von der Nachweispflicht im Falle höherer Gewalt zu. Auch stelle der Gesichtspunkt der höheren Gewalt keinen allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts dar. Der Gedanke der höheren Gewalt komme vielmehr lediglich in Ausnahmefällen im Rahmen der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Anwendung, sofern dies der Sinn und Zweck der Regelung, von der abgewichen werden solle, gebiete. Die Nachweispflicht nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1222/94 diene ebenso wie die zwingend vorgeschriebene Rückforderungsverpflichtung des Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 3665/87 dem Schutz der Gemeinschaft vor missbräuchlicher Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen und damit dem Schutz finanzieller Interessen der Gemeinschaft. Der Verzicht auf den Nachweis der Richtigkeit der Herstellererklärungen würde dem Ausführer weiten Raum für Manipulationen eröffnen.

Mit Beschluss vom 02.03.2005 (IV 150/03) hat der Senat das Verfahren...

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