Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Verfassungsmäßigkeit der Änderungen des § 34 EStG in der Fassung des StSenkG und des StSenkErgG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anwendung der sogen. Fünftel-Regelung auf den Gewinn aus der Veräußerung einer Rechtsanwaltskanzlei im Februar 1999 führt nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen unechten Rückwirkung (im Anschluss an BVerfG, Beschlüsse vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05).
2. Die Einführung des halben durchschnittlichen Steuersatzes mit § 34 Abs. 3 EStG in der Fassung des StSenkErgG ohne rückwirkende Übergangsregelung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Gesetzesänderung beschränkt sich nicht auf eine "Wiedereinführung" der bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1998 geltenden Regelung.
Normenkette
EStG § 34; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf der Anwaltskanzlei des Klägers.
In dem Streitjahr 1999 war der Kläger noch als Rechtsanwalt tätig und bezog Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen. In den Einkünften aus selbständiger Arbeit war ein Veräußerungsgewinn in Höhe von ... DM enthalten. Der Kläger hatte mit schriftlichem Kaufvertrag vom ... 1999 seine Anwaltskanzlei an den Rechtsanwalt A verkauft. Die Übernahme der Kanzlei durch den Käufer sollte zum ... 1999 erfolgen (§ 2 des Vertrages), zu dem auch der Kaufpreis fällig wurde. Der Käufer war jedoch nach § 8 des Vertrags berechtigt, den Kaufpreis in Raten zu zahlen, beginnend am 30.04.1999. Weiter heißt es in § 8 Abs. 4e: "Der Käufer ist um eine Bankfinanzierung bemüht, bei Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel zur Existenzgründung. Soweit und sobald diese Finanzierung zustande kommt, ist er berechtigt und verpflichtet, den restlichen Kaufpreis vorzeitig abzulösen. ...."
Nach § 15 des Vertrages wurden mündliche Abreden oder Nebenabreden nicht getroffen. Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen für ihre Gültigkeit unabdingbar der Schriftform. Der wesentliche Teil und Rest des Kaufpreises wurde am 20.12.1999 gezahlt.
Mit Bescheid vom 06.04.2001 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 1999 auf ... DM fest. Der Veräußerungsgewinn wurde mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes vom 24.03.1999 (EStG 1999) besteuert.
Am 18.04.2001 legte der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.07.2001 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Am 15.08.2001 hat der Kläger Klage unter Bezugnahme auf die Verfassungswidrigkeit der rückwirkenden Änderung des § 34 EStG 1999 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 erhoben.
Mit Beschluss vom 27.06.2002 ist das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Rechtssache XI R 42/01 angeordnet worden. Nachdem zwischenzeitlich auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung im Fall von Entschädigungszahlungen entschieden hatte (vgl. Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06), ist das Verfahren mit Beschluss vom 08.10.2010 wieder aufgenommen worden.
Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, dass er weiterhin die Auffassung vertrete, dass die rückwirkende Änderung des § 34 EStG 1999 verfassungswidrig sei und der Veräußerungsgewinn mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz zu versteuern sei. Das Steuerentlastungsgesetz sei erst am 24.03.1999 beschlossen, jedoch mit Wirkung für den gesamten Veranlagungszeitraum 1999 und damit auch für Vorgänge vor der Verkündung in Kraft gesetzt worden. Bei Verkäufen vor dem Inkrafttreten der Änderung sei - wie im vorliegenden Fall - die Steuerschuld bereits entstanden. Es liege eine unzulässige Rückwirkung darin, dass diese Verkäufe noch nach ihrem Abschluss mit einem höheren Steuersatz belegt würden. Er, der Kläger, habe sich zudem bereits Ende September 1998 verbindlich zur Übertragung seiner Rechtsanwaltskanzlei auf den Käufer verpflichtet. Nachdem im August 1998 der Kontakt zu dem Käufer über den Vermittler B hergestellt worden sei, seien zeitnah in zwei Verhandlungsterminen im September 1998 die wesentlichen Vertragsbedingungen ausgehandelt worden. Bei dem zweiten Treffen Ende September 1998 habe er, der Kläger, gegenüber dem Käufer A verbindlich und unwiderruflich erklärt, die Kanzlei an ihn unter den ausgehandelten Bedingungen verkaufen zu wollen. Es sei allein die Frage offen geblieben, zu welchem Zeitpunkt die Übergabe der Kanzlei erfolgen solle. Der Käufer habe erst in Abstimmung mit seiner den Kaufpreis finanzierenden Bank den angedachten Übergabetermin 01.01.1999 schriftlich bestätigen wollen. Es sei dadurch eine leichte Verzögerung eingetreten, so dass eine schriftliche Bestätigung der Übereinkunft erst mit schriftlichem Kaufvertrag vom ... 1999 unterzeichnet und eine Übergabe zum ... 1999 ver...