Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Die VO (EG) Nr. 1964/2005 über die Zollsätze für Bananen ist unbeschadet einer etwaigen Unvereinbarkeit mit dem WTO-Abkommen (GATT) weder nichtig noch wegen Anwendungsvorrangs des GATT unanwendbar.
  2. In Anwendung der Rechtsprechung des EuGH gehört das GATT wegen seiner Natur und ihrer Systematik nicht zu den Normen, an denen die Rechtmäßigkeit der VO (EG) Nr. 1964/2005 zu messen ist.
 

Normenkette

EGV 1964/2005 Art. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Zoll.

Für den Monat März 2009 meldete die Klägerin im Rahmen des der Firma A GmbH bewilligten Sammelzollverfahrens in fünf hier streitigen Fällen die Einfuhr von Bananen aus Ecuador zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Dabei handelte es sich um Einfuhren von 833.664,48 kg, 19.502 kg, 914.742,40 kg, 818.233,11 kg und 653.400 kg Bananen. In Anwendung der Verordnung (EG) 1964/2005 setzte der Beklagte Einfuhrzoll in Höhe von 176 € je Tonne fest. Insoweit errechneten sich Einfuhrabgaben in Höhe von 146.724,9 € (Einfuhrabgabenbescheid Nr. .....1), 3.432,30 € (Einfuhrabgabenbescheid Nr. .....2), 165.570,97 € (Einfuhrabgabenbescheid Nr. .....3), 144.009,03 € (Einfuhrabgabenbescheid Nr. .....4) und 114.998,40 € (Einfuhrabgabenbescheid Nr. .....5).

Mit Schreiben vom 21.04.2009, beim Beklagten eingegangen am 23.04.2009, legte die Firma A im Auftrag der Klägerin Einspruch gegen die Abgabenbescheide ein. Zur Begründung wurde angeführt, die Bescheide widersprächen Entscheidungen der WTO.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 08.09.2009, 09.09.2009, 17.09.2009 und 23.09.2009 wurden die Einsprüche zurückgewiesen. Der Beklagte legte dar, dass sich der Zoll in Höhe von 176 € je Tonne aus der Verordnung (EG) Nr. 1964/2005 ergebe. Die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung dürfe er nicht überprüfen.

Mit ihrer am 08.10.2009 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält die Erhebung des Einfuhrzolls für rechtswidrig, weil die Verordnung (EG) Nr. 1964/2005 und damit die angefochtenen Bescheide gegen das Welthandelsabkommen GATT (WTO-Abkommen) verstießen. Das WTO-Abkommen sei gem. Art. 307 Abs. 7 EGV (bzw. Art. 216 AEVU) für die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verbindlich und habe Vorrang vor dem von den Gemeinschaftsorganen gesetzten Recht. Konkret sei die Verordnung (EG) Nr. 1964/2005 trotz zahlreicher Änderungen wegen eines Verstoßes gegen Art. II 1 b) des GATT 1994 rechtswidrig. Dies habe eine Vielzahl gegen die Europäische Union seit 1995 angestrengter Streitbeilegungsverfahren vor dem WTO-Panel (Dispute Settlement Body, DSB) gezeigt. Nach Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1964/2005 gelte für Bananen aus dem WTO-Mitgliedstaat Ecuador ein Zollsatz in Höhe von 176 €/Tonne, während für Bananen aus anderen WTO-Staaten, die zugleich AKP-Staaten seien, nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1964/2005 der Zollsatz frei gelte. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe zwar in mehreren Urteilen die Berufung auf WTO-Übereinkünfte abgelehnt, diese Rechtsprechung sei jedoch abzulehnen, da sie Verstöße von Gemeinschaftsorganen gegen WTO-Abkommen unkontrollierbar mache. Rechtsschutz gegen völkerrechtswidriges Verhalten von Gemeinschaftsorganen sei erforderlich. Das WTO-Abkommen sei auf die geltende Bananenmarktordnung jedenfalls in Anwendung der Grundsätze der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien unmittelbar anwendbar. Richtlinien seien unmittelbar anwendbar, wenn sie dem Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum eröffneten, für die Bürger nicht belastend seien und die Frist zur Zielerreichung der Richtlinie abgelaufen sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Zwar sehe das Abkommen keine Umsetzungsfrist vor, es unterstelle jedoch, dass die Vertragsparteien ihr Binnenrecht bei Unterzeichnung des völkerrechtlichen Vertrages entsprechend anpassten.

Zwar hätten der Gerichtshof der Europäischen Union und der Bundesfinanzhof in Bezug auf die VO Nr. 1637/98 erkannt, dass die Gemeinschaft mit dieser Verordnung keine besondere Verpflichtung im Rahmen der WTO habe übernehmen wollen, auch wenn sie ihre Absicht bekundet habe, einer Entscheidung des DSB nachzukommen, diese Rechtsprechung sei jedoch auf die streitgegenständliche VO Nr. 1964/2005 nicht übertragbar. Den vom Gerichtshof der Europäischen Union zugestandenen Verhandlungsspielraum habe die Gemeinschaft weithin ausgenutzt und im April 2001 das "Understanding on Bananas" mit den USA und Ecuador geschlossen. Darin sei eine Übergangszeit zur Anpassung der Bananenmarktordnung bis zum 01.01.2006 vereinbart worden. Mit dem "Understanding on Bananas" habe die Gemeinschaft besondere Verpflichtungen im Rahmen der WTO-Abkommen übernehmen wollen. Ihr Ermessen, wie sie ihre Verpflichtungen nach dem WTO-Abkommen zu erfüllen habe, sei damit auf Null reduziert. Ab dem 01.01.2006 müsse sich die geltende Bananenmarktordnung am WTO-Recht in justiziabler Weise messen lassen. In der VO Nr. 1964/2005 werde auch auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünf...

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