Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 25/23)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Alkoholsteuer: Steuervergütung nach § 163 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Unter den Umständen des Einzelfalls ist der klägerischen Apotheke eine Steuervergütung nach § 163 AO zu gewähren, obwohl das Alkoholsteuergesetz keine Entlastungsvorschrift für die steuerfreie Verwendung von versteuertem Alkohol vorsieht.

 

Normenkette

AlkStG § 27; AO § 163; RL 92/83/EWG Art. 27

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.11.2023; Aktenzeichen VII B 25/23)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Alkoholsteuervergütung.

Die Klägerin ist Inhaberin und Betreiberin einer Apotheke.

Zu Beginn der Coronapandemie im März 2020 bestanden Versorgungsengpässe mit Desinfektionsmitteln und Grundstoffen von Desinfektionsmitteln wie Isopropylalkohol. Laut Destatis war der Absatz von Desinfektionsmitteln zu Beginn der Pandemie ca. verachtfacht, und der weltweite Umsatz mit Desinfektionsmitteln versechsfachte sich vom Jahr 2019 auf das Jahr 2020. Die Onlinehändler ebay und Amazon ließen im Frühjahr 2020 auf ihren Plattformen angesichts von Preiswucher keinen Handel mit Desinfektionsmitteln mehr zu. Die Vergällungsbetriebe mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland konnten die Nachfrage nach vergälltem Alkohol nicht mehr bedienen, der für die alkoholsteuerfreie Herstellung unter anderem von Desinfektionsmitteln benötigt wird. Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens wie Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen waren in erheblichem Umfang nicht mehr in der Lage, die zur grundlegenden Versorgung benötigten Desinfektionsmittel zu beschaffen.

Vor diesem Hintergrund erlaubte das Bundesministerium der Finanzen mit Erlass vom 17. März 2020 den Apotheken, die nach dem Arzneimittelrecht befugt sind, Arzneimittel herzustellen, gemäߧ 28 i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 1 des Alkoholsteuergesetzes (AlkStG)ab sofort unvergällten Alkohol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln steuerfrei zu verwenden. Zum Nachweis der Bezugsberechtigung gegenüber dem abgebenden Steuerlager genügte die Vorlage der Betriebserlaubnis der Apotheke nach dem Apothekengesetz. Diese ersetzte die förmliche Erlaubnis nach § 28 Abs. 1 AlkStG und ermöglichte das Verfahren der steuerfreien Verwendung gemäß § 59 Abs. 3 der Alkoholsteuerverordnung (AlkStV).

Die Klägerin beschloss vor dem Hintergrund der genannten Versorgungsengpässe, das Gesundheitswesen und die Bevölkerung mit in ihrer Apotheke selbst hergestellten Desinfektionsmitteln zu versorgen. Von März bis Mai 2020 gelang es ihr trotz zahlreicher telefonischer und E-Mail-Anfragen bei Alkoholsteuerlägern nicht, unversteuertes Ethanol oder Isopropylalkohol zu erwerben. Erfolglose Anfragen richtete sie neben ihren drei Hauptlieferanten A GmbH, B GmbH und Firma C auch an die D GmbH, E AG, F GmbH sowie G GmbH. Die Steuerläger lehnten entweder eine Belieferung ganz ab oder stellten unzulängliche Liefertermine in Aussicht, beispielsweise binnen fünf bis sechs Wochen bei Abnahme von 10.000 Litern. Die von der Klägerin hergestellten Desinfektionsmittelmengen waren jedoch stets innerhalb weniger Stunden ausverkauft.

Deshalb kaufte sie im Zeitraum vom 25. März bis 9. April 2020 versteuerten reinen Alkohol (96 % Weizenfeindestillat) von der Firma H zur Herstellung von Desinfektionsmitteln, insgesamt ... Liter. Im Kaufpreis von insgesamt ... € war Alkoholsteuer von insgesamt ... € (Regelsteuersatz in Höhe von 13,03 €/Liter Alkohol) enthalten. Sie verarbeitete den Alkohol zu Desinfektionsmitteln mit unterschiedlichen Einsatzzwecken, indem sie stets die Qualität prüfte und Wasserstoffperoxid sowie für auf die Haut aufzutragende Desinfektionsmittel Glycerin hinzufügte, wodurch die Desinfektionsmittel für Trinkzwecke ungenießbar wurden. Solange sie noch über Vergällungsmittel verfügte, vergällte sie die Desinfektionsmittel zusätzlich. Die Desinfektionsmittel verkaufte sie zu Literpreisen von ... €, ohne die Alkoholsteuer auf ihre Kunden abzuwälzen, zu denen neben Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen auch allgemeine Apothekenkunden zählten. Daneben stellte sie in ihrem Geschäft geringere Mengen zur Händedesinfektion für ihre Kundschaft zur Verfügung.

Sie beantragte mit Schreiben vom 17. September 2020 beim Beklagten "den Erlass und die Erstattung von Branntwein- bzw. Alkoholsteuer in Höhe von ... €". Unversteuerter Alkohol als Grundstoff für Desinfektionsmittel sei nicht lieferbar gewesen.

Mit Bescheid vom 22. September 2020 (XXX) lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den Einspruch vom 9. Oktober 2020 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 3. November 2021 (RL VSt xxx/2020) zurück.

Die Klägerin hat am 2. Dezember 2021 Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:

Die Versagung der Steuervergütung sei unverhältnismäßig und unbillig.

Da sie im Streitzeitraum keinen unversteuerten Alkohol habe beziehen können, sei ihr keine andere Möglichkeit geblieben, als versteuerten Alkohol von der Spirituosenhandlung zu beziehen, um den ihr obliegenden Versorgungsauftrag gegenüber der Bevölkerung siche...

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