Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Festsetzungsfristen im Falle von Nacherklärungen durch die Erben
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anzeige i.S.v. § 171 Abs. 9 AO setzt die Erkennbarkeit des Willens des Steuerpflichtigen voraus, eine Korrektur des Steuerbescheids veranlassen zu wollen.
2. § 171 Abs. 7 AO ist auch in Bezug auf Steuerhinterziehung der Erben anwendbar.
3. Eine Vervielfältigung der verlängerten Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO im Falle einer Steuerhinterziehung seitens des Erblassers und einer späteren Steuerhinterziehung durch Unterlassen seitens der Erben findet nicht statt.
4. Zum Beginn der Strafverfolgungsverjährung im Falle einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen einer Nacherklärung gem. § 153 AO.
Normenkette
AO §§ 153, 169 Abs. 2 S. 3, § 171 Abs. 7, 9
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Besteuerung von Kapitaleinkünften im Rahmen der Einkommensteuer 2003 sowie um Hinterziehungszinsen und die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Nacherklärung von Kapitalerträgen.
Kläger sind A, Ehefrau des am ... 2009 verstorbenen B, sowie C, D und E als Erben zu je 1/3 nach B.
Aufgrund unter Mitwirkung der Steuerberatungsgesellschaft F gefertigter Erbschaftsteuererklärung vom November 2010 erließ das Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz in Hamburg (im Folgenden: Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz) am 15.12.2010 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Erbschaftsteuerbescheide gegenüber den Erben und am 13.07.2011 gegenüber A. Am 07.06.2012 ergingen Änderungsbescheide gegenüber den Erben, im Zuge derer der Vorbehalt der Nachprüfung gegenüber D und E aufgehoben wurde. Am 16.01.2013 ergingen erneut Änderungsbescheide, gegenüber D und E gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO), hingegen gegenüber A und gegenüber C gem.§ 164 Abs. 2 AO und unter Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks wegen anhängiger Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes. Hiergegen legte die Steuerberatungsgesellschaft F für D und E jeweils Einspruch mit dem Begehren ein, auch für diese Erben die Bescheide mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk zu versehen. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 24.11.2014 zurückgewiesen.
A und B besaßen Vermögensanlagen u.a. bei der Bank G in der Schweiz und erzielten hieraus folgende Kapitalerträge, die im Rahmen der regulären Einkommensteuerklärungen ab 2003 (Steuererklärung vom Juni 2005) bis 2013 nicht erklärt und auch von den Erben im Rahmen der Erbschaftsteuererklärungen nicht angegeben und in den Erbschaftsteuerbescheiden nicht berücksichtigt worden waren.
Der erste ohne Berücksichtigung der entsprechenden Kapitalerträge ergangene Bescheid über Einkommensteuer für 2003 erging am 22.07.2005.
Mit am 10.12.2015 beim Beklagten eingegangenen Schreiben vom 09.12.2015 wandten sich die im vorliegenden Verfahren auftretenden Prozessbevollmächtigten in Vertretung für A an den Beklagten wegen "Korrektur steuerlicher Erklärungen 2004-2013". Sie wiesen auf "bei erneuter Überprüfung" festgestellte Kapitaleinkünfte der Jahre ab 2004 hin und fügten Übersichten für die entsprechenden Jahre als Anlage bei (abgelegt in den Akten des Beklagten im Leitzordner "A", Anlagen 1 - 9), und zwar für B aus Vermögensanlagen bei der G Bank (Schweiz) für die Jahre 2004 bis 2011 (u.a. Anlagen 1 und 2), für A für 2006 bis 2014 (u.a. Anlage 5 und 6). Zudem stelle die Korrekturerklärung betreffend die Einkünfte aus Kapitalvermögen von B zur Vermeidung einer Diskussion um die Korrekturpflicht der Erben gem. § 153 AO gleichzeitig eine Korrekturerklärung für die drei Erben D, E und C dar. Aufgrund der Zusammenveranlagung der Eheleute verzichteten die Bevollmächtigten auf eine steuerliche Aufteilung des im Depots des verstorbenen B befindlichen Vermögens und der hieraus erzielten Kapitalerträge auf B einerseits und A andererseits und ordneten diese vollständig B zu, verbunden mit dem Hinweis, dass im Falle einer Trennung wohl ein Anteil von ca. 1/7 A zugerechnet werden müsste. Die Bevollmächtigten erläuterten weiter, dass für A 1993/1994 ein kleineres Depot in der Schweiz eingerichtet worden sei. Dieses habe Frau A wenige Jahre später wieder aufgelöst und das Vermögen auf das Konto/Depot ihres Ehemannes transferiert. Sie habe sich bei der Vorstellung der Verkürzung von Einkommensteuern nicht wohl gefühlt.
Mit weiterem Schreiben vom 09.12.2015 wandten sich die Prozessbevollmächtigten wegen der Erbschaftsteuer in Vertretung für die drei Erben an das Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbesitz, bei dem das Schreiben ebenfalls am 10.12.2015 einging. Sie wiesen darauf hin, dass bei der erneuten Überprüfung der Erbschaftsteuerfestsetzungen bislang in Bezug auf die Kapitalerträge des Erblassers aus dem G-Wertpapierdepot unvollständige Angaben festgestellt worden seien, teilten die sich für die Jahre 2003 bis 2009 hieraus ergebende Einkommensteuerschuld mit (beigefügte Anlage 2: für 2003 - ein...