Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbrauchsteuerrecht: Zur Voraussetzung des Eingangs der Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union bei der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer; Auswahlermessen bei Gesamtschuldnern von Tabaksteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine "Einfuhr" i.S.d. Einfuhrumsatzsteuerrechts setzt voraus, dass die Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist und einem Verbrauch zugeführt werden konnte.

2. Eine falsch deklarierte (geschmuggelte) Ware ist nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen, wenn sie sich vom Zeitpunkt ihrer Verbringung an in Verwahrungslagern befand, anschließend während ihrer vom Zoll beaufsichtigten geplanten Vernichtung entdeckt, sodann sichergestellt und später tatsächlich vernichtet wird.

 

Normenkette

ZK Art. 98 Abs. 1 Buchst. a, Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a; ZKDV Art. 867a Abs. 1; UStG § 21 Abs. 2 Hs. 1; TabStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 1 S. 1; AO §§ 5, 44

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Abgabenbescheid über Einfuhrumsatz- und Tabaksteuer.

Anfang Februar 2014 verbrachte das Containerschiff A den Container xxx aus China in den Hafen Hamburg. Vertraglicher Seefrachtführer war die Reederei B (...). Bei der Klägerin handelt es sich um die Linienagentin der B. Am 5. Februar 2014 übermittelte die C GmbH (C) als Vertreterin der Klägerin eine vorzeitige summarische Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung für den o.g. Container an das Zollamt Hamburg-1. Die Anmeldung beinhaltete eine Position mit insgesamt 296 Packstücken mit der Warenbeschreibung: "Statuettes and other ornaments, of wood (excl. wood marquetry and inlaid wood)". In der Anmeldung trat die Klägerin als Gestellende und die C als ihr Vertreter und Verwahrer auf.

Nach den ATLAS-Daten erfolgte die Ankunft des Schiffes am ... Februar 2014. Am 18. Februar 2014 um 4:07 Uhr wurde der o.g. Container am C Terminal X-Kai gelöscht. Die Gestellung fand ebenfalls am 18. Februar 2014 statt. Um 4:13 Uhr erfolgte im ATLAS-Verfahren die Bestätigung der Gestellung und der Wechsel der summarischen Anmeldung in den Status "endgültig". Die C verwahrte den Container zunächst am X Damm.

Am 19. Februar übernahm die D GmbH (D) die Verwahrung des Containers und verbrachte ihn in ihr Verwahrungslager.

Schließlich kam es zu einer Aufteilung der summarischen Anmeldung und der Generierung von fünf Positionen, u. a. der Position 5, die vier Packstücke (1.600 kg) mit der Bezeichnung "Part of Tombstone" umfasste. Verwahrer dieser Packstücke war zunächst die D, später die E GmbH (E), wobei die D verfügungsberechtigt blieb.

Da eine Vereinbarung mit dem angeblichen Empfänger dieser Packstücke zur weiteren zollrechtlichen Abwicklung sowie zur Abholung der Ware nicht zu Stande kam, beantragte die E im Folgenden wegen Annahmeverweigerung die Vernichtung der Grabsteine unter zollamtlicher Überwachung bei einem Abfallverwertungsunternehmen.

Die Packstücke wurden daraufhin auf das Betriebsgelände des Recyclingunternehmens verbracht. Beim Zerbrechen des ersten Packstücks kamen Silberfolien zum Vorschein. Es stellte sich heraus, dass die Packstücke lediglich von außen mit Stein ummantelt waren, innen aber insgesamt ... kg Feinschnitttabak beinhalteten, der von den anwesenden Zollbeamten sichergestellt und vom Beklagten später vernichtet wurde.

Ein gegen Unbekannt geführtes Strafverfahren stellte das Zollfahndungsamt Hamburg im Folgenden ein. Verantwortliche Personen konnten nicht ermittelt werden.

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 3. November 2014 setzte der Beklagte Tabaksteuer in Höhe von ... € und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ... € gegen die Klägerin fest. Die Klägerin habe am 18. Februar 2014 ... kg Feinschnitttabak in das Zollgebiet der Union eingeführt. Für diese Waren sei eine unzutreffende summarische Anmeldung abgegeben worden (Grabsteine). Damit liege ein vorschriftswidriges Verbringen vor. Die Einfuhrumsatzsteuerschuld sei gem. Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, 1; Zollkodex - ZK) i.V.m. § 21 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) entstanden, die Tabaksteuer im Zeitpunkt der Einfuhr gem.§§ 21 Abs. 1 i.V.m. 19 Abs. 1 Nr. 2 Tabaksteuergesetz (TabStG). Die Klägerin sei Schuldnerin der Einfuhrabgaben gem. Art. 202 Abs. 3, Anstrich 1 ZK, da sie den Tabak vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe.

Hiergegen legte die Klägerin am 14. November 2014 Einspruch ein und stellte einen Aussetzungs- und einen Erlassantrag. Sie, die Klägerin, scheide nach der Rechtsprechung des EuGH als Agentin der Reederei B als Zollschuldnerin aus. Die B habe die Container beladen und versiegelt vom Versender ohne Kontrollmöglichkeit im Ladehafen zum Transport erhalten. Die Warenbeschreibung im Transportvertrag, die im Rahmen der summarischen Anmeldung übernommen worden sei, beruhe auf Angaben des Warenexporteurs. Der EuGH habe entschieden, dass die Person, die eine unrichtige summarische Anmeldung oder die Anm...

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