Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaubnis zum Bezug von Strom zu einem ermäßigten Steuersatz bei Herstellung von augenoptischen Erzeugnissen

 

Leitsatz (amtlich)

Das Herstellen von Korrektionsbrillen als Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit im augenoptischen Handwerk gehört in der Klassifikation der Wirtschaftszweige zum "verarbeitenden Gewerbe", Unterabschnitt "Feinmechanik und Optik", Unterklasse "Herstellung von augenoptischen Erzeugnissen". Insbesondere Tätigkeiten betreffend das Schleifen und das Einpassen von vorgefertigten Gläsern gehen über handelsüblichen Manipulationen an Handelswaren klar hinaus und haben verarbeitenden Charakter. Daher ist die Erlaubnis zum Bezug von Strom zu einem ermäßigten Steuersatz zu erteilen.

 

Normenkette

StromStG § 9

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.01.2006; Aktenzeichen VII R 44/04)

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte am 26.09.2001 die Erlaubnis, Strom zum ermäßigten Steuersatz für betriebliche Zwecke zu entnehmen. Die wirtschaftliche Tätigkeit ihres Unternehmens gab die Klägerin in dem Antrag an mit "Herstellung von augenoptischen Erzeugnissen" und "Handel mit Zubehör". Gemäß ihrem Antrag soll der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ihres Unternehmens aufgrund der mit den einzelnen Tätigkeiten erzielten Umsätze ermittelt werden. Gemäß ihrem Antrag entfiel auf das augenoptische Handwerk ein Umsatzanteil in Höhe von 87,5% und auf den Handel einen Anteil von 12,5%. Mit Bescheid vom 17.10.2001 lehnte das Hauptzollamt Hamburg- ... den Antrag auf Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom ab. Die Klägerin legte dagegen mit Schriftsatz vom 13.11.2001 Sprungklage ein, die als Einspruch zu behandeln ist. Nach Umbenennung des Hauptzollamtes Hamburg- ... in Hauptzollamt Hamburg- ... wies der Beklagte den Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2002 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage vom 06.02.2002, zu deren Begründung die Klägerin u.a. Folgendes vorträgt:

Sie betreibe schwerpunktmäßig einen Handwerksbetrieb, da die Bearbeitung der Brillen über die "übliche Manipulation des Handels" hinausgehe. Es liege nicht nur ein Sortieren, Trennen, Zusammenstellen, Verpacken o.Ä. vor, sondern die Ware, die sie ihren Kunden anbiete, sei als eine Auftragproduktion zu qualifizieren. Es handle sich nicht um einen Handel mit Fassungen, sondern es würden in auftragsbezogener Fertigung Korrektionsbrillen usw. hergestellt. Sie sei deshalb als ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne des Stromsteuergesetzes einzuordnen, weshalb ihr die Erlaubnis zur Entnahme von Strom nach dem begünstigten Steuersatz für das produzierende Gewerbe zu gewähren sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die am 26.09.2001 beantragte Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom zum ermäßigten Steuersatz gem. § 4 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 3, 4 Stromsteuergesetz zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 31.01.2002, worauf Bezug genommen wird. Ergänzend trägt er u.a. Folgendes vor:

Der streitentscheidende Punkt sei die Frage, ob die Klägerin dem "produzierenden Gewerbe" zugeordnet werden könne. Für ihn sei eine Zuordnung der Klägerin zum "produzierenden Gewerbe" nach geltender Rechtslage nicht möglich. Denn als Augenoptiker gehöre das Unternehmen der Klägerin zu Abschnitt G (WZ-Nr. 52.48.4) der "Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes" und damit eindeutig zum Einzelhandel mit optischen Erzeugnissen und nicht zu den Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne von § 2 Nr. 3 Stromsteuergesetz.

Ein Sachvorgang des Beklagten (IV 43/01, FG 2026 - B, RbL ... /01 - B 208) hat vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache Erfolg. Der Beklagte hat die begehrte Erlaubnis zum Bezug von Strom zu einem ermäßigten Steuersatz zu Unrecht abgelehnt.

1. Gem. § 9 Abs. 3 Stromsteuergesetz (StromStG) vom 24.03.1999 (Bundesgesetzblatt I S. 378) in der Fassung vom 16.12.1999 (Bundesgesetzblatt I 2432, berichtigt Bundesgesetzblatt 2000 S. 440) unterliegt Strom einem ermäßigten Steuersatz, wenn er von - u.a. - Unternehmen des produzierenden Gewerbes entnommen wird und - was vorliegend der Fall ist - nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist. Unternehmen, die nach § 9 Abs. 3 StromStG begünstigten Strom entnehmen wollen, bedürfen gem. § 9 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 Stromsteuergesetz der Erlaubnis des Hauptzollamtes. Was als "produzierendes Gewerbe" anzusehen ist, wird in § 2 Nr. 3 StromStG festgelegt. Danach zählen zu den Unternehmen des produzierenden Gewerbes Unternehmen des Bergbaus, des verarbeitenden Gewerbes, des Baugewerbes, der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- oder Wasserversorgungswirtschaft, die einem entsprechenden Wirtschaftszweig der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes (Ausgabe 1993, vgl. Friedrich, in: Friedrich/Meißner, Kommentar zur ökologischen Steue...

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