Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfuhrerstattung: Verjährung des Zinsanspruchs bei zurückgeforderter Ausfuhrerstattung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 gilt im Falle der Rückforderung rechtswidrig aus dem Unionshaushalt erlangter Vorteile nicht für die auf den Rückzahlungsanspruch berechneten Zinsen, wenn diese nicht nach Unionsrecht, sondern allein nach nationalem Recht geschuldet sind (EuGH, Urteil vom 29.03.2012, C-564/10; bestätigt durch Urteil vom 02.03.2017, C-584/15).

2. Der Lauf der nationalen Verjährungsfrist nach den Regelungen des BGB beginnt nicht erst mit der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheids, sondern mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Erstattung gewährt worden ist.

 

Normenkette

EUVO-2988/95 Art. 3 Abs. 1; EUVO-3665/87 Art. 11; MOG §§ 10, 14; BGB §§ 197-198, 201

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Anforderung von Zinsen durch das beklagte Hauptzollamt.

In den Jahren 1992 und 1993 ließ die Klägerin Rindfleisch zur Ausfuhr nach Jordanien abfertigen. Antragsgemäß gewährte ihr das beklagte Hauptzollamt mit mehreren Bescheiden aus den Jahren 1992 und 1993 zunächst im Wege der Vorfinanzierung einen der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrag gegen Sicherheitsleistung. Die Sicherheiten gab das beklagte Hauptzollamt sodann am 30.04.1996 bzw. 04.03.1998 frei. Mit Rückforderungsbescheid vom 23.09.1999 in der Fassung eines späteren Abhilfebescheides forderte das beklagte Hauptzollamt die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung zurück. Das gegen den Rückforderungsbescheid eingeleitete Klageverfahren, das beim erkennenden Gericht unter dem Az. 4 K 138/15 geführt wurde, ist zwischenzeitlich abgeschlossen.

Mit mehreren Zinsbescheiden vom 14.11.2003 forderte das beklagte Hauptzollamt bezüglich des Rückforderungsbescheides vom 23.09.1999 von der Klägerin unter Hinweis auf § 14 MOG Zinsen in Höhe von insgesamt ... Euro betreffend den Zeitraum vom Tag des Empfangs der Ausfuhrerstattung bis zum 31.05.2003 an.

Die Klägerin erhob gegen die Zinsbescheide Einspruch, mit dem sie u.a. eine unbillige Härte geltend machte. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens half das beklagte Hauptzollamt dem Einspruch der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 26.09.2011 teilweise ab, da im Hinblick auf insgesamt 15 der dem Rückforderungsbescheid vom 23.09.1999 zu Grunde liegenden Bescheide bereits Verjährung nach Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 eingetreten war. Mit Änderungsbescheid vom 12.07.2018 half das beklagte Hauptzollamt dem Einspruch der Klägerin im Hinblick auf einen weiteren dem Rückforderungsbescheid vom 23.09.1999 zu Grunde liegenden Bescheid ab. Der nach alledem noch streitige Zinsbetrag beläuft sich auf nunmehr ... Euro.

Die Klägerin begründete ihren Einspruch in der Folge damit, dass der Zinsanforderung der Einwand der Verjährung entgegenstehe, was sich zum einen bereits aus der Verjährung der Hauptforderung ergebe. Zum anderen sei bei Erlass der Zinsbescheide vom 14.11.2003 die 4-Jahresfrist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 bereits abgelaufen gewesen, da der Zinsanspruch nicht erst mit dem Erlass des Rückforderungsbescheids vom 23.09.1999, sondern bereits bei Gewährung der Ausfuhrerstattung in den Jahren 1992 bzw. 1993 entstanden sei. Der Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 unterlägen auch Zinsanforderungen auf zurückgeforderte Ausfuhrerstattungen; die nationale Vorschrift des § 14 MOG trete gegenüber den unionsrechtlichen Verzinsungsregelungen des Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 bzw. Art. 51 Abs. 6 VO Nr. 800/1999 zurück. Für die Verjährung von Zinsforderungen gelte mithin nicht nur die 4-Jahresfrist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95, sondern auch die absolute Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 UAbs. 4 VO Nr. 2988/95 von acht Jahren.

Das beklagte Hauptzollamt wies der Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 19.10.2018 zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Für Ausfuhren vor dem 01.04.1995 seien nach § 14 Abs. 1 MOG zurückzuzahlende Beträge vom Tag des Empfanges an bis zur Rückzahlung zu verzinsen. Die Regelung des § 14 Abs. 1 MOG trete gegenüber den unionsrechtlichen Verzinsungsregelungen des Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3655/87 und Art. 51 Abs. 6 VO Nr. 800/1999 nicht zurück. Erst mit Inkrafttreten des Art. 11 VO Nr. 3665/87 am 01.04.1995 sei der Zinsanspruch durch vorrangiges Gemeinschaftsrecht geregelt worden. Den streitgegenständlichen Zinsbescheiden lägen indes Ausfuhren aus den Jahren 1992 bzw. 1993 zugrunde mit der Folge, dass § 14 Abs. 1 MOG als Rechtsgrundlage für die Verzinsung der zurückgeforderten Ausfuhrerstattung einschlägig sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gelte die in Art. 3 VO Nr. 2988/95 vorgesehene Verjährungsfrist für die im Anspruch auf Erstattung eines rechtswidrig aus dem Unionshaushalt erlangten Vorteils bestehende Hauptforderung nicht für die Erstattung der infolge dieser Forderung angefallenen Zinsen, wenn diese nicht nach Unionsrecht geschuldet seien, sondern allein nach nationalem Recht (EuGH, Urteil vom 29.03...

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