Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Nachversteuerung eines durch Entnahmen negativ gewordenen Kapitalkontos
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gesellschafterkonto verwandelt sich im Zweifel in ein Kapitalkonto, wenn es durch Entnahmen einen Schuldsaldo aufweist.
2. Für die Nachversteuerung eines durch Entnahmen negativ gewordenen Kapitalkontos ist kein Raum.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2, §§ 15a, 16 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob durch Fortfall eines negativen Kapitalkontos ein Betriebsaufgabegewinn i.S.d. §§ 16, 34 EStG entstanden ist.
Gegenstand der 1969/1971 errichteten - und handelsrechtlich auch heute noch existenten - Klägerin (Bl. 40 Rb-Sonderordner ; Bl. 1 Vertragsakte) war der Betrieb eines Bauunternehmens. Einzige Gesellschafter der Klägerin sind die Komplementär-GmbH (K-GmbH) und der Kommanditist K (K), der zugleich alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der K-GmbH ist (Bl. 40 Rb-Sonderordner).
Die Klägerin, für die zuletzt ein Jahresabschluss auf den 31.12.1985 erstellt worden war, tätigte seit 1989 keine Umsätze mehr und wurde wirtschaftlich inaktiv (Bl. 6 Rb-Sonderordner ; Bl. 59 Gewinnfeststellungsakte Bd. IV).
Der Jahresabschluss auf den 31.12.1985 weist unter der Bilanzposition A IV eine Forderung an Gesellschafter in Höhe von DM 5.030.811,54 aus, die in den Erläuterungen zum Jahresabschluss wie folgt entwickelt wird:
K |
DM |
Stand am 1.1.1985 |
4.671.037,38 S |
a) Entnahmen Ortschaft Y |
|
sowie sonstige Grundstücksverwaltung |
1.569.865,79 |
- Sonstige 1.807.240,79 S |
237.375,00 |
b) Einlagen |
|
- Grundstücksverwaltung |
494.634,36 |
- Sonstige |
715.327,83 |
1.209.962,19 H |
|
|
5.268.315,98 S |
c) Gewinnanteil 1985 |
237.504,44 H |
Stand am 31.12.1985 |
5.030.811,54 S |
Dem Vortrag auf den 1.1.1985 lag gemäß Jahresabschluss auf den 31.12.1984 folgende Kontenentwicklung zugrunde (Bl. 17a des Jahresabschlusses auf den 31.12.1984 - Bilanz- u. Bilanzberichtsakten Bd. II; Bl. 10 Rb-Sonderordner):
K |
DM |
Stand am 1.1.1984 |
5.320.584,05 H |
a) Entnahmen - Ortschaft Y |
11.418.918,78 S |
b) Einlagen |
1.020.778,75 H |
c) Gewinnanteil 1985 |
406.518,60 H |
Stand am 31.12.1984 |
4.671.037,38 S |
Die von K geleistete Kommanditeinlage in Höhe von 500.000,- DM steht auf der Passivseite der Bilanz unter der Position I 2. Tz. 14 und 15 des Jahresabschlusses der Klägerin auf den 31.12.1982 (Bilanz- u. Bilanzberichtsakten Bd. II) lauten:
"Tz. 14 Für die Gesellschafter werden laufende Konten geführt, auf denen Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft ausgewiesen werden." "Tz. 15 Auf den Kommanditisten entfallende Verlustanteile sind Verlustsonderkonten zu belasten. Anschließende Gewinne sind zunächst zur Abdeckung des Saldos auf diesem Konto zu verwenden. Das Verlustsonderkonto begründet keinen Anspruch gegenüber dem Kommanditisten."
Unter dem 4.1.1993 erließ der Beklagte gegen die Klägerin einen zusammengefassten Gewinnfeststellungsbescheid für die Jahre 1986 bis 1989. Hierin berücksichtigte der Beklagte im Schätzungswege lediglich die Ergebnisse aus sogenannten Ergänzungsbilanzen "X-Straße" und "Ortschaft Y". Gesamthänderische Verluste der Klägerin selbst wurden wegen fehlender Glaubhaftmachung nicht übernommen (Bl. 241R Gewinnfeststellungsakte Bd. III).
Im Zuge des diesbezüglichen Einspruchsverfahrens fand am 28.7.1993 ein Gespräch an Amtsstelle des Beklagten statt. Gesprächsteilnehmer waren u.a. der seinerzeitige Vorsteher des Beklagten und der damalige steuerliche Berater der Klägerin S (Bl. 266 ff Gewinnfeststellungsakte Bd. III). Im Ergebnis erkannte der Beklagte nunmehr für 1988 einen weiteren Verlust der Klägerin in Gestalt von Aufwandseinlagen des K in Höhe von 3.000.000,- DM an und erließ entsprechenden Änderungsbescheid unter dem 13.10.1993 (Bl. 266 ff, 272 Gewinnfeststellungsakte Bd. III).
Mit Schreiben von 24.7.1996 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass von einer steuerlichen Betriebsaufgabe der Klägerin auf den 31.12.1990 auszugehen sei und dass K infolge der Betriebsaufgabe ein einkommensteuerpflichtiger Gewinn in Höhe seines negativen Kapitalkontos entstehe. Die Klägerin möge mitteilen, wie sich das zuletzt nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auf den 31.12.1985 entwickelte Kapitalkonto des K unter Berücksichtigung der Vereinbarung vom 28.7.1993 entwickelt habe; insbesondere sei darzulegen, wie sich der Saldo von -4.530.811,54 DM auf -292.968,69 DM zum 31.12.1989 habe vermindern können (Bl. 59 Gewinnfeststellungsakte Bd. IV).
Trotz von der Klägerin substantiiert geltend gemachter Einwendungen hinsichtlich der Frage der Betriebsaufgabe und der Besteuerung eines negativen Kapitalkontos (Bl. 62 ff Gewinnfeststellungsakte Bd. IV), änderte der Beklagte den Gewinnfeststellungs-Erstbescheid für 1990 vom 9.2.1994, der auf 0,- DM lautete (Bl. 11 Gewinnfeststellungsakte Bd. IV), mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3.12.1996 (Bl. 69 Gewinnfeststellungsakte Bd. IV). Der Beklagte stellte für K einen Aufgabegewinn in Höhe von 4.539.499,- DM fest, der wie folgt entwickelt wurde (Bl. 71 Gewinnfeststellungsakte Bd. IV):