Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung einfuhrumsatzsteuerpflichtiger Waren aus der zollamtlichen Überwachung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Tathandlung des "Entziehens" kommt es nur auf den Erfolg und nicht auf die Vorstellung des Handelnden an. Insbesondere ist es für die Entstehung der Abgabenschuld ohne Bedeutung, ob der Handelnde sich bewusst ist, dass durch seine Handlungen das Zollgut (hier Getreide) der zollamtlichen Überwachung entzogen wird, und ob er diesen Erfolg will.

 

Normenkette

EWGV 2144/87 Art. 2 Abs. 1; VO (EWG) Nr. 2144/87 Art. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin war bei dem Händler B angestellt und führte für diesen als Lkw-Fahrerin im September 1992 Getreidetransporte durch. Nach den Feststellungen des Zollfahndungsamts Hannover, Zweigstelle A, des Landgerichts A, das B mit Urteil vom 31. März 1995 wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in 618 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilte, und des erkennenden Senats (Urteil vom 26. Juni 1998 IV 208/96) kaufte B im Jahr 1992 bei verschiedenen polnischen Firmen Getreide. Dieses Getreide ließ er per Lkw, z.T. (wie im Streitfall) mit eigenen Fahrzeugen und Fahrern, z.T. durch Subunternehmer, über die deutsch/polnische Grenze in die Gemeinschaft transportieren. Er ließ diese Warensendungen als Transitware erklären und an den Grenzzollstellen durch die von ihm beauftragten Grenzspeditionen externe gemeinschaftliche Versandverfahren (gVV) eröffnen. Als Empfänger der Warensendungen wurden auf den Versandscheinen T 1 zumeist eine von B gegründete Scheinfirma in Österreich und als Bestimmungszollstelle Innsbruck bzw. Pfaffenhofen angegeben; später wurden z.T. (wie im Streitfall) auch eine von einem Mitarbeiter des B in Gambia gegründete Scheinfirma als Empfänger und als Bestimmungszollstelle Marseille eingetragen. Nach dem Grenzübertritt wurden die Warensendungen den Bestimmungszollstellen nicht gestellt. Das Getreide wurde stets in der Bundesrepublik an verschiedene Abnehmer verkauft. Die Fahrer der Lkw erhielten von B bzw. seinen Mitarbeitern entsprechende Weisungen, wo das Getreide abzuladen war. Auf diese Weise wurden bei den Getreideeinfuhren Abschöpfung und Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen.

Hinsichtlich sieben von der Klägerin im September 1992 durchgeführter Getreidetransporte setzte der Beklagte mit Steuerbescheid vom 23. Juli 1999 Abschöpfung und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 71.372,10 DM gegen die Klägerin fest. (Wegen der erfassten Transporte und die berechneten Abgaben wird auf die Anlage zum Steuerbescheid verwiesen. - Abt. 1, Bl. 10 d. Sachakte) Den hiergegen am 5. August 1999 erhobenen Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 1999, zur Post aufgegeben am 8. Oktober 1999, zurück.

Mit ihrer am 8. November 1999 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass sie lediglich Fahrerin der Lkw-Transporte und B"s gutgläubiges Werkzeug gewesen sei. B und dessen Mitarbeiter S hätten die Weisungen für die Transporte gegeben. An der Zollstelle habe sie die fertig ausgefüllten Zollpapiere von S erhalten. Die Zolldeklaration habe vollständig im Einfluss- und Verantwortungsbereich von B und S gelegen. Sie selbst habe die Formulare nicht ausgefüllt; auch hätten sich die von ihr unterzeichneten Verpflichtungserklärungen nicht an sie, sondern an den Frachtführer gerichtet. Sie habe die Waren dann weisungsgemäß zu bestimmten Orten in der Bundesrepublik gefahren. Was mit den Waren dann weiter geschehen sei, habe sie nicht gewusst und auch nicht interessiert. Sie habe nicht gewusst, dass ihr Arbeitgeber ein Zollvergehen begangen habe und habe auch keinen Grund gehabt anzunehmen, dass ihr Arbeitgeber irgendetwas falsch mache. Zollrechtliche Vorschriften seien ihr nicht bekannt gewesen. Bei dem Merkmal des "Entziehens" aus der zollamtlichen Überwachung müsse es aber auch auf subjektive Momente ankommen, eine andere Auslegung sei unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich.

Die Klägerin beantragt,

den Steuerbescheid vom 23. Juli 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Abgaben zu Recht festgesetzt worden seien. Die Klägerin habe schon bei ihrer ersten Fahrt gegenüber der Grenzspedition eine schriftliche Verpflichtungserklärung abgegeben und deshalb Kenntnis von der Gestellungspflicht für Versandgut erlangt. Sie habe auch anhand der Versandscheine gewusst, dass das Getreide zur Durchfuhr abgefertigt worden sei und über Marseille nach Gambia habe verbracht werden sollen, obwohl sie von Anfang an den Auftrag gehabt habe, das Getreide bei Empfängern in der Bundesrepublik abzuladen.

Dem Gericht haben ein Aktenordner Sachakten des Beklagten und die Gerichtsakte zum Klageverfahren IV 208/96 vorgelegen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt, die Schriftsätze der Beteiligten und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründe...

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