rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines mit Postzustellungsurkunde zugestellten Haftungsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

Ein a) gegen eine Zahlungsaufforderung und b) gegen Vollstreckungsmaßnahmen gerichteter Einspruch mit der Überschrift "Haftungsbescheid" beinhaltet nicht zugleich einen Einspruch gegen den Haftungsbescheid.

Die Angaben in einer Postzustellungsurkunde begründen den vollen Nachweis der erfolgten Zustellung.

 

Normenkette

AO §§ 110, 251, 347 Abs. 1; FGO §§ 44-46, 82, 155; ZPO § 418 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wird als Geschäftsführerin einer insolventen GmbH in Haft genommen. Streitig ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht, ob der Haftungsbescheid ihr gemäß vorliegender Postzustellungsurkunde zugestellt und mangels Einspruchseinlegung binnen der Monatsfrist bestandskräftig wurde.

1. Die Klägerin ist seit 1997 Geschäftsführerin der A GmbH (Haftungsakte - H-A-Blatt 42).

2. Bereits früher wurde die Klägerin wegen Lohnsteuer unter anderem von Mai 2000 bis Mai 2001 der GmbH durch Haftungsbescheid vom 31.07.2001 (H-A-Blatt 9) in Anspruch genommen, der nach Einspruch und Teilbetragszahlung durch Bescheid vom 21.12.2001 herabgesetzt wurde (H-A-Blatt 29).

3. Nach Rückständen der GmbH für Lohnsteuer unter anderem von Dezember 2000 bis Juli 2004 wurde die Klägerin wegen ihrer möglichen Haftung als Geschäftsführerin mit Schreiben des Beklagten vom 06.09.2004 angehört (H-A-Blatt 43). Sodann erließ das Finanzamt (FA) den hier in Rede stehenden Haftungsbescheid vom 29.10.2004 (H-A-Blatt 50). Mit Postzustellungsurkunde vom 04.11.2004 beurkundete der Zusteller Herr B die Zustellung des "HB" mit der Steuernummer der GmbH an die Klägerin unter ihrer Anschrift durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten (H-A-Blatt 53). Binnen der in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen einmonatigen Einspruchsfrist ging beim Beklagten kein Einspruch ein.

4. Zwischenzeitlich war für die GmbH die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet vom 06. bis 27.03.2001, vom 18. bis 22.03.2002 und seit dem 06.10.2004. Am 03.11.2004 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ohne Angabe des Beschlussdatums) in das Handelsregister eingetragen (FG-Akte Blatt 34, H-A-Blatt 42).

5. Am 10.12.2004 versuchte das FA, ein Konto der Klägerin zu pfänden (Vollstreckungsakte - V-A-Blatt 15). Dies blieb allerdings erfolglos, die betroffene Bank konnte das Konto nicht ermitteln (V-A-Blatt 16).

6. Nach einem Vollstreckungsversuch des FA und Hinterlassung einer nochmaligen Zahlungsaufforderung am 25.01.2007 (V-A-Blatt 35) legte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Zahlungsaufforderung am 26.01.2007 Einspruch ein. Sie wies auf das laufende Insolvenzverfahren hin und erklärte, sie habe den Haftungsbescheid vom 29.10.2004 nicht erhalten (V-A-Blatt 27).

7. Das FA sah den Einspruch als gegen die Zahlungsaufforderung gereichtet an und wies diesen am 21.03.2007 als unzulässig zurück, weil eine Zahlungsaufforderung keinen Verwaltungsakt darstelle (V-A-Blatt 42/43).

8. Nach einer fruchtlosen Pfändung am 28.03.2007 (V-A-Blatt 48 bis 53) legte die Klägerin am 02.04.2007 Einspruch gegen die Vollstreckungsmaßnahme des Vollziehungsbeamten am 28.03.2007 Einspruch ein. Der Einspruch war überschrieben mit Steuernummer ... - ... - Haftungsbescheid - (V-A Blatt 54).

Gleichzeitig beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (V-A-Blatt 54). Sie führte dazu aus, aufgrund der Insolvenz der GmbH habe eine Postsperre bestanden, und infolge dessen sei der Haftungsbescheid möglicherweise dem Insolvenzverwalter und nicht ihr zugegangen (V-A-Blatt 56).

9. Am 02.05.2007 lud das FA die Klägerin zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über ihre Vermögensverhältnisse (V-A-Blatt 64). Hiergegen legte sie am 05.06.2007 Einspruch ein (V-A-Blatt 68).

10. Am 11.06.2007 wies das FA den Einspruch gegen die Vollstreckungsmaßnahmen vom 28.03.2007 als unbegründet zurück (V-A Anhang).

11. Das FA forderte die Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2007 auf, ihren Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" zu begründen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nicht nach (V-A Anhang).

12. Auf Bitten der Klägerin vom 19.06 2007 übersandte das FA der Klägerin am 04.07.2007 in Kopie den Haftungsbescheid vom 29.10.2004 und die Niederschrift des Vollziehungsbeamten vom 28.03.2007 (V-A Anhang).

II.

Am 09.06.2007, eingegangen beim Finanzgericht - FG - am 12.07.2007, hat die Klägerin gegen den Haftungsbescheid vom 29.10.2004 und gegen die Einspruchsentscheidung vom 11.06.2007 Klage erhoben.

Zur Begründung führt die Klägerin an: Der Haftungsbescheid vom 29.10.2004 sei ihr nicht zugegangen. Ohne dessen Wirksamkeit sei dessen Vollziehung rechtswidrig. Außerdem seien 2 1/2 Jahre bis zum 1. Vollstrekkungsversuch vergangen.

Die Klägerin beantragt, den Haftungsbescheid vom 29.10.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 11.06.2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die Postzustellungsurkunde, ausgestellt am 04.11.2004, erbringe den vollständigen Nachweis fü...

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