Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) in 2010
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Senat hat zwar hinreichend ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen der Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr. 1 Buchst. a), d) und e) GewStG, die sich allein schon daraus ergeben, dass das FG Hamburg v. 29.2.2012 - 1 K 138/10, EFG 2012, 960 von der Verfassungswidrigkeit dieser Normen überzeugt war und diese dem BVerfG vorgelegt hat.
2) Jedoch hat die Antragstellerin das Überwiegen ihres Aussetzungsinteresses gegenüber dem Haushaltsinteresse des Fiskus nicht dargelegt.
3) Mit seiner auf den Leistungsfähigkeitsgrundsatz gestützten Begründung befindet sich das FG Hamburg im Widerspruch zur ganz überwiegenden Rechtsprechung der Finanzgerichte. Der erkennende Senat hält es für ausgeschlossen, dass das BVerfG die umstrittenen Normen auch mit Wirkung für die Vergangenheit bis 2007 für nichtig erklären könnte.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 2010 wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an den Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchstaben a, d und e des Gewerbesteuergesetzes – GewStG –.
Die Antragstellerin wies in ihrem Jahresabschluss 2010 nach Handelsrecht einen Jahresfehlbetrag von ca. 668.000 EUR aus. Bei der Berechnung des Jahresfehlbetrages war eine Gewerbesteuerrückstellung von ca. 108.000 EUR berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 und den Lagebericht für das Geschäftsjahr 2010 der Antragstellerin verwiesen.
Im Februar 2012 reichte die Antragstellerin die Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuererklärung 2010 beim Antragsgegner ein. Die Hinzurechnungen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung – EStDV –, sowie nach § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – und § 10 Nr. 4 KStG führten im Ergebnis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer in Höhe von minus 536.616 EUR.
Im Rahmen der Gewerbesteuererklärung deklarierte die Antragstellerin Entgelte für Schulden im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG in Höhe von 105.426 EUR, Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Betriebsanlagegüter gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG in Höhe von 185.273 EUR sowie Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Betriebsanlagegüter gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG in Höhe von 13.231.367 EUR.
Dies führte zunächst zur Erfassung der Schuldzinsen in voller Höhe, der Aufwendungen für die Anmietung beweglicher Wirtschaftsgüter in Höhe von 20% sowie der Aufwendungen für die Anmietung unbeweglicher Wirtschaftsgüter in Höhe von 50%. Der so ermittelte Gesamtbetrag von 6.758.163 EUR wurde um den Freibetrag von 100.000 EUR gemindert. Entsprechend § 8 Nr. 1 Satz 1 GewStG wurde dem Verlust aus Gewerbebetrieb von 536.616 EUR bei der Berechnung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen ein Viertel des Betrages (zuzüglich minimaler Korrekturen wegen Spenden) hinzugerechnet. Dadurch ergab sich ein gerundeter Gewerbeertrag von 1.197.900 EUR, was zu einem Gewerbesteuermessbetrag von 39.476,50 EUR führte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Gegen den Gewerbesteuermessbescheid wandte sich die Antragstellerin mit fristgerecht erhobenem Einspruch, der ausweislich der Mitteilung des Antragsgegners hinsichtlich der hier streitbefangenen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG nach § 363 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung – AO – im Hinblick auf das Musterverfahren (Az. 1 BvL 8/12) vor dem Bundesverfassungsgericht – BVerfG – auf der Basis des Vorlagebeschlusses des Finanzgerichts – FG – Hamburg 1 K 138/10 vom 29. Februar 2012 ruht.
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides wurde vom Antragsgegner unter dem 25. April 2012 abgelehnt. Er führte aus, dass trotz der möglichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit im vorliegenden Verfahren das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung höher zu bewerten sei als das Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung – FGO –. Zur Begründung trägt sie vor, dass das von ihr betriebene und realisierte Unternehmenskonzept darauf beruhe, zum Zwecke des Betriebes von Seniorenwohnheimen entsprechende Wirtschaftsgüter (Mobiliar und Ausstattung) sowie die entsprechenden Immobilien von dritten Eigentümern anzupachten. Das Geschäftsmodell sehe den Erwerb eigener Immobiliarobjekte nicht vor, da entsprechende Investitionen von ihr als auf Dienstleistung ausgerichteter Seniorenwohnheimbetreiberin nicht aufgebracht werden könnt...