Entscheidungsstichwort (Thema)
Einspruchs-/Klage- und Antragsbefugnis einer Gemeinde im Messbescheidsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Gemeinde ist über den Sonderfall des § 40 Abs. 3 FGO hinaus nicht Beteiligte im Verfahren über den Gewerbesteuermessbescheid und insoweit damit weder rechtsbehelfs- noch antragsbefugt.
2) Die Gemeinde als Träger von Hoheitsrechten kann sich gegenüber der Finanzverwaltung als anderem Träger von Hoheitsrechten mangels Unterordnungsverhältnis nicht auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG berufen.
3) Aufgrund der verfassungsrechtlich in Art. 108 Abs. 2 und Abs. 4 GG geregelten Verteilung der Verwaltungsbefugnisse für die Gewerbesteuer sind die Gemeinden an die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages durch die Landesfinanzbehörden gebunden.
4) Auch bei gravierenden Auswirkungen einer Änderung eines Gewerbesteuermessbescheides auf die Finanzierung einer Gemeinde ergibt sich für diese aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG keine Einspruchsbefugnis.
Normenkette
AO § 350; ErbStG 2009 § 13a Abs. 4; FGO § 40 Abs. 2-3, § 69; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 28 Abs. 2 S. 3, Art. 108 Abs. 2, 4; AO § 78
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2003 sowie der Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1998 bis 2003, alle vom 17. August 2011, für die Firma A & B KG – KG – in L.
Die KG war in den Streitjahren alleinige Gesellschafterin der C GmbH – GmbH – in L, die in den Streitjahren unter anderem im Gemeindegebiet der Antragstellerin eine Betriebstätte unterhalten hat. Zwischen der KG und der GmbH bestand im hier interessierenden Zeitraum ein Gewinnabführungsvertrag. Die GmbH war an zwei französischen Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar wesentlich beteiligt.
Am Geschäftssitz der KG in L wurden nach Lage der Akten auf der Basis der Prüfungsanordnungen vom 4. Januar 2001 und vom 25. Oktober 2004 Außenprüfungen für die Jahre 1996 bis 1999 und 2000 bis 2003 durchgeführt. Diese endeten hinsichtlich der hier streitbefangenen Messbeträge für die Gewerbesteuer mit den Gewerbesteuermessbescheiden vom 7. März 2005 und 12. Mai 2009, mit denen die Gewerbesteuermessbeträge für die KG auf 1.389.302,75 EUR für 1998, auf 1.178.070,18 EUR für 1999 festgesetzt wurden. Für das Jahr 2000 wurde der Messbetrag auf 965.531,26 EUR festgesetzt. Für die Jahre 2001 bis 2003 ergaben sich Gewerbesteuermessbeträge über 1.871.816,57 EUR, über 1.135.630 EUR und über 737.505 EUR. Vortragsfähige Gewerbeverluste zu den Stichtagen 31. Dezember 1998 bis 2003 ergaben sich nicht.
Die KG führte im Anschluss an die Außenprüfung in der Vergangenheit Rechtsbehelfsverfahren gegen verschiedene Finanzbehörden, unter anderem den Antragsgegner, bei denen die Abschreibung auf die so genannte „…” und eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer der französischen Gesellschaften streitig waren. Der Antragsgegner gab nach dem Vorbringen der Antragstellerin den Rechtsbehelfsbegehren der KG – in Abstimmung mit dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L – Konzernbetriebsprüfung –, der Oberfinanzdirektion – OFD – Rheinland und dem Landesfinanzministerium Nordrhein-Westfalen – mit den hier streitbefangenen Bescheiden vom 17. August 2011 im Wesentlichen statt. Mit den Bescheiden wurde der Gewerbesteuermessbetrag 1998 auf 312.585,96 EUR und der Gewerbesteuermessbetrag 1999 auf null EUR festgesetzt sowie der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1999 auf 45.292.573 DM festgestellt. Für das Jahr 2000 wurde der Messbetrag auf null EUR festgesetzt, der verbleibende Gewerbeverlust auf 19.186.300 DM festgestellt. Für die Jahre 2001 bis 2003 ergaben sich Gewerbesteuermessbeträge über 1.398.337,28 EUR, über 1.107.165 EUR und über 734.980 EUR. Vortragsfähige Gewerbeverluste zu den Stichtagen 31. Dezember 2001 bis 2003 ergaben sich nicht. Mit den geänderten Bescheiden wurden die anhängigen Rechtsbehelfsverfahren beendet. Die KG ließ die Bescheide vom 17. August 2011 bestandskräftig werden.
Nach dem Vorbringen der Antragstellerin erhielt diese von der durchgeführten Außenprüfung, den Rechtsbehelfsverfahren der KG sowie dem Erlass der streitbefangenen Bescheide erstmals durch eine Kurzmitteilung der Konzernbetriebsprüfung vom 1. März 2011 Kenntnis. Die Bekanntgabe der Zerlegung der einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge sei mit Bescheiden vom 17. August 2011 erfolgt. Gegen die Zerlegungsbescheide gerichtete Einsprüche der Antragstellerin wurden mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2012 als unbegründet zurückgewiesen.
Daraufhin legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. April 2012 gegen die hier streitbefangenen Bescheide Einsprüche ein, über die nach Lage der Akten bisher nicht entschieden worden ist. Der Antragsgegner hat aber mit Schreiben vom 20. August 2012 (Blatt 110 bis 112 d. A.) angekündigt, die Einsprüche als unzulässig zu verwerfen.
Einen Antrag ...