Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme als faktischer Geschäftsführer

 

Leitsatz (redaktionell)

Die rechtmäßige Inanspruchnahme für Steuerschulden einer GmbH wegen faktischer Geschäftsführerstellung begegnet ernstlichen Zweifeln, wenn der Betroffene weder Gesellschafter noch Generalbevollmächtigter war und lediglich innerhalb eines Zeitraums von ca. sechs Jahren zwei Lieferantenverträge für die GmbH abgeschlossen hat.

 

Normenkette

AO § 69 Abs. 2, 3 S. 1, § 191 Abs. 1, § 35

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Antragstellers für Steuerschulden der T GmbH – Steuerschuldnerin –, deren faktischer Geschäftsführer der Antragsteller gewesen sein soll.

Aus der vorgelegten Akte des Antragsgegners, die offensichtlich nur Teile der Verwaltungsvorgänge dokumentiert, ergibt sich, dass die Steuerschuldnerin eine im Jahr 2009 unter anderem Namen gegründete im Handelsregister des Amtsgerichtes Köln unter HRB … eingetragene Kapitalgesellschaft ist. Geschäftsgegenstand der Steuerschuldnerin war u.a. der Betrieb einer …, der Kauf und Verkauf von …. Ihre alleinige Geschäftsführerin war ausweislich des vorliegenden Handelsregisterauszuges die Ehefrau des Antragstellers.

Die Steuerakten der Steuerschuldnerin wurden nicht vorgelegt. Dem vorgelegten Haftungsvorgang waren lediglich die Kopie eines Außenprüfungsberichtes vom 28. Januar 2016, eines strafrechtlichen Ermittlungsberichtes vom 30. Juni 2016 sowie Kopien der nach der Außenprüfung ergangenen geänderten Bescheide vom 30. Mai 2016 zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2013 sowie Bescheide vom 27. Mai, 7. Juni und 5. September 2016 zur Umsatzsteuer 2009 bis 2013 sowie zur Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das zweite Kalendervierteljahr 2016 beigefügt.

Der strafrechtliche Ermittlungsbericht vom 30. Juni 2016 enthält zu der hier vorrangig streitbefangenen Frage der Qualifikation des Antragstellers als faktischer Geschäftsführer insbesondere folgende Ausführungen:

Die Gesellschaft unterhält Geschäftsbeziehungen zur D AG. Der Beschuldigte war wirtschaftlich Berechtigter/Verfügungsberechtigter für das Konto der Gesellschaft, Auskunft gemäß § 24c Kreditwesengesetz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Blatt 9 der Akten). Mithin konnte der Beschuldigte über das Gesellschaftsvermögen verfügen und erfüllte faktisch die Verpflichtungen der Gesellschaft. (vgl. insoweit Seite 3 des Ermittlungsberichtes)

Als faktischer Geschäftsführer hatte er eine Buchführung 2009-2012 für die Steuerschuldnerin vorbereitet und die kaufmännischen Angelegenheiten (Rechtsstreitigkeiten, Schriftverkehr) erledigt. (Vgl. insoweit Seite 8 des Ermittlungsberichts)

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ermittlungsbericht verwiesen.

Ausweislich einer vorliegenden Rückstandsaufstellung hat die Steuerschuldnerin die festgesetzten Beträge von insgesamt ca. 491.000 € zuzüglich ca. 28.000 € Säumniszuschläge bis zum Januar 2017 nicht beglichen.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2017 hörte der Antragsgegner den Antragsteller im Hinblick auf die beabsichtigte Inanspruchnahme als Haftungsschuldner an. Dabei wies er darauf hin, dass er den Antragsteller aufgrund der Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung als faktischen Geschäftsführer der Steuerschuldnerin ansehe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben verwiesen.

Dagegen wandte sich der Antragsteller und führte aus, der Antragsgegner behaupte zwar, dass er, der Antragsteller, faktischer Geschäftsführer der Steuerschuldnerin gewesen sei. Belegt werde diese Behauptung indes nicht. Die den Antragsgegner treffenden Feststellungslast für die aufgestellte Behauptung werde nicht mit der Verwendung von Textbausteinen und nicht belegten Hypothesen genügt. Hilfsweise verwies er auf Einwendungen gegen die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen.

Der Antragsgegner holte daraufhin eine Stellungnahme des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Köln – Strafsachenfinanzamt – sowie eine Stellungnahme des als Zeuge bei der Durchsuchung der Geschäfts- und Wohnräume anwesenden Finanzbeamten U ein. Die Stellungnahme des Strafsachenfinanzamtes verweist in nicht vorgelegte Beweismittelordner. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahmen Bezug genommen.

Daraufhin erließ der Antragsgegner den hier streitbefangenen auf § 191 der AbgabenordnungAO – i.V.m. §§ 69, 34, 35 AO gestützten Haftungsbescheid vom 23. Oktober 2017, in dem er sich weiterhin darauf berief, der Antragsteller sei als faktischer Geschäftsführer Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO.

In dem insoweit entscheidenden Teil des Haftungsbescheides führt der Antragsgegner nach Darstellung der von der zivilrechtlichen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung sinngemäß Folgendes aus:

Ich betrachte Sie aufgrund der Ermittlungen im Rahmen der Betriebsprüfung und des strafrechtlichen Ermittlungsberichts als faktischen Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Ermittlun...

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