Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsaufschub, Interimsermessen des Finanzgerichts
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein bei Gericht gestellter Antrag auf einstweilige Anordnung, mit dem der Antragsteller eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO begehrt, ist zulässig. Das Finanzgericht ist befugt, die einstweilige Anordnung in Ausübung eigenen Ermessens (Interimsermessen) zu treffen.
2) Die Voraussetzungen für die Gewährung von Vollstreckungsaufschub sind nicht schlüssig dargelegt, wenn lediglich die vage Hoffnung auf Erteilung lukrativer Aufträge, nicht aber eine konkrete Verbesserung der Liquiditätssituation vorgetragen wird, die auf eine kurzfristige Tilgung der rückständigen Steuern schließen lässt.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1; AO § 258; FGO § 102
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub.
Die Antragstellerin wandte sich mit Schreiben vom 3. Februar 2014 mit der Bitte um gerichtliche Gewährung von Vollstreckungsaufschub an den beschließenden Senat und trug dazu folgenden Lebenssachverhalt vor:
Sie sei seit ca. 25 Jahren selbstständig tätig und in der Vergangenheit ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen. Zunächst habe sie eine Werbeagentur betrieben, später ein Personalrekrutierungsunternehmen. Ende des Jahres 2012 sei sie ohne eigenes Verschulden in eine finanzielle Schieflage geraten, weil ein Auftraggeber ihr sieben Aufträge erteilt habe, für die das Honorar erst bei Einstellung der Kandidaten gezahlt werden sollte. Der Auftrag sei später – nach Erbringung erheblicher Vorleistungen durch sie – storniert worden. Ein weiterer Auftraggeber sei weggefallen, da dieser sich entschieden habe, in Zukunft nur noch mit angestellten Mitarbeitern zu arbeiten. Ende des Jahres 2012 seien dann Steuern fällig geworden, die sie aufgrund der geschilderten Situation nicht habe aufbringen können.
Die Marktentwicklung habe dazu geführt, dass sie in 2013 entschieden habe, eigenständig eine Personal- und Unternehmensberatung aufzubauen. Parallel dazu sollte das bisher betriebene Geschäft fortgeführt werden. Dies sei daran gescheitert, dass der Antragsgegner die Geschäftsbeziehungen durch Ausbringung von Pfändungen bei ihren Auftraggebern zerstört habe.
Die Antragstellerin ist sich sicher, innerhalb der nahen Zukunft (halbes Jahr) Aufträge generieren zu können, die sie in die Lage versetzen, ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift Bezug genommen.
Aus der der Antragsschrift beigefügten Vollstreckungsankündigung kann ersehen werden, dass der Antragsgegner die Vollstreckung wegen Forderungen in Höhe von insgesamt ca. 41.000 EUR betreibt. Darin enthalten sind unter anderem 7.330 EUR Umsatzsteuer 2012 und 5.063 EUR Umsatzsteuer 2013. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rückstandsaufstellung verwiesen.
Ein konkreter, schriftlich gestellter Antrag auf Vollstreckungsaufschub beim Antragsgegner ist weder von der Antragstellerin vorgetragen noch aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich.
Der Senat hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 4. Februar 2014 auf die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung nach § 114 der Finanzgerichtsordnung – FGO – hingewiesen und um eine schlüssige Darlegung der Antragsvoraussetzungen sowie eine Glaubhaftmachung gebeten. Eine weitere Begründung von Seiten der Antragstellerin erfolgte nicht.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
ihr im Wege der einstweiligen Anordnung Vollstreckungsaufschub zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verweist darauf, dass sich die Antragstellerin bereits in der Vergangenheit regelmäßig in Vollstreckung befunden habe und nicht mit einer zeitnahen Begleichung der Rückstände zu rechnen sei.
Aus der vorgelegten Vollstreckungsakte sowie den Unterlagen über eine bei der Antragstellerin durchgeführte Liquiditätsprüfung ergibt sich, dass die Antragstellerin seit dem Jahr 2008 mit Unterbrechungen immer wieder mit ihren Steuerzahlungen im Rückstand war, wobei allerdings wesentlich geringere Beträge als im gegenwärtigen Stand des Verfahrens zur Vollstreckung anstanden, die jeweils im Rahmen von Bankkontenpfändungen beigetrieben werden konnten. Zumindest seit Anfang 2013 vollstreckt der Antragsgegner durchgängig gegen die Antragstellerin. Es wurden Forderungspfändungen bei ihren Auftraggebern und diversen Banken ausgebracht.
Der Bericht über die Liquiditätsprüfung weist aus, dass die Antragstellerin im Jahr 2010 Umsätze von ca. 65.000 EUR, im Jahr 2011 Umsätze von ca. 112.000 EUR und im Jahr 2012 in Höhe von ca. 60.000 EUR erzielt hat. Die Gewinne werden mit knapp 40.000 EUR (2010), knapp 57.000 EUR (2011) und knapp 20.000 EUR (2012) ausgewiesen.
Weiterhin enthält der Bericht den Hinweis, die Antragstellerin gehe davon aus, mit dem nächsten großen Auftrag alle Rückstände tilgen zu können. Die Antragstellerin wolle noch im April 201...