Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung des PKH-Antrags bei Erledigung der Hauptsache

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein isolierter Prozesskostenhilfeantrag erledigt sich in der Hauptsache, wenn es zu der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverteidigung im Rahmen einer Prozessführung noch nicht gekommen ist und dazu auch nicht mehr kommen kann, weil die Sache selbst sich erledigt hat.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1

 

Gründe

Der Antragsteller besitzt trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens für das hier anhängige Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Prozessführungsbefugnis. Insoweit ist sie nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Die Befugnis zur Anfechtung eines in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner erlassenen Verwaltungsakts gehört nicht zum Recht des Schuldners, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Diese Befugnis ist nur hinsichtlich des massebefangenen Vermögens eingeschränkt. Macht der Schuldner aber wie hier geltend, ihm seien Bescheide unter Verletzung des § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekanntgegeben worden, macht er keinen Anspruch hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens geltend. Er rügt nur die mangelnde Einhaltung der Regelungen der InsO und begehrt die Beseitigung des Rechtsscheins, der von dem unwirksamen Verwaltungsakt ausgeht. Dazu ist ein Schuldner berechtigt. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 21.06.1995 VIII ZR 224/94, NJW 1995, 2563 und vom 16.01.1997 IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445) und des BAG (Urteil vom 26.06.2008 6 AZR 478/07, DB 2009, 79). Der BFH hat die Frage noch nicht abschließend entschieden, in einem vergleichbaren Fall jedoch die Aussetzung der Vollziehung gewährt (Beschluss vom 31.01.2012 I S 15/11, BFH/NV 2012, 989).

Gegenstand des Verfahrens ist ein isolierter Prozesskostenhilfeantrag (§ 114 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 142 Abs. 1 FGO). Der Antragsteller hat sinngemäß begehrt, ihm für die beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen den Haftungsbescheid des Antragsgegners vom 13.05.2011 und dessen Einspruchsentscheidung vom 11.10.2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er hat keine Klage erhoben. Er hat in seinem ersten Schriftsatz an das Gericht ausdrücklich erklärt, er „stelle die Klage unter dem Vorbehalt, dass mir Prozesskostenhilfe gewährt wird”. Ein solches Prozedere ist im finanzgerichtlichen Verfahren zulässig (vgl. FG Köln, Urteil vom 30.01.2013 15 K 930/09, bei juris).

Ein isolierter Prozesskostenhilfeantrag erledigt sich in der Hauptsache, wenn es zu der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverteidigung im Rahmen einer Prozessführung noch nicht gekommen ist und es dazu auch nicht mehr kommen kann, weil die Sache selbst sich erledigt hat. Dabei meinen die Begriffe Prozessführung, Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung in § 114 Satz 1 ZPO das eigentliche Streitverfahren, nicht aber das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (FG Sachsen, Beschluss vom 22.01.2013 4 K 861/12). Hier hat sich die Sache selbst erledigt. Eine Sachentscheidung des Gerichts ist nicht mehr möglich, weil der Antragsgegner den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung während des Prozesskostenhilfeverfahrens aufgehoben hat. Damit ist der vom Antragsteller in Aussicht genommenen Klage gegen diese Verwaltungsentscheidungen der Boden entzogen worden.

Folgerichtig hat der Antragsgegner den Streit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Antragsteller hat sich dem angeschlossen. Sind die ursprünglichen Streitpunkte eines finanzgerichtlichen Verfahrens vollständig ausgeräumt und hat der Kläger bzw. Antragsteller auf den Hinweis des Finanzamtes zum Fehlen von offenen Streitpunkten sowie auf die Erledigungserklärung des Finanzamts nicht reagiert, ist dieses Verhalten als stillschweigende Erledigungserklärung anzusehen (vgl. dazu BFH, Beschluss vom 08.12.2011 X B 70/11, BFH/NV 2012, 8.12.2011 X B 70/11, NV 2012, 376).

Das Gericht hält es aus Gründen der Rechtsklarheit für geboten, die – als solche unstreitige – Erledigung der Hauptsache im Tenor festzustellen. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. §§ 143 Abs. 1, 138 Abs. 1 FGO sind nicht anwendbar. Verfahren und Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sind gerichtsgebührenfrei (vgl. nur BFH, Beschluss vom 15.02.2012 XI S 25/11, BFH/NV 2012, 1133). Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Erhebung solcher Gebühren (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3744361

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?