Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bindungswirkung der Bestellung eines Nachtragsliquidators bei arglistiger Täuschung des Registergerichts
Leitsatz (redaktionell)
Der Beschluss des Registergerichts bzgl. der Bestellung eines Nachtragsliquidator für eine Ltd. nach englischem Recht, die aufgrund der Löschung im englischen Gesellschaftsregister erloschen ist, entfaltet auch im finanzgerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung, wenn der Beschluss durch arglistige Täuschung (hier: Erschleichung der Zuständigkeit des Registergerichts bzw. des inländischen Gerichtsstands durch Täuschung über Inlandsvermögen einer Ltd.) erlangt wurde. Das Registergericht erliegt bei der Bestellung eines Nachtragsliquidators für eine Ltd. einem Irrtum, wenn es seine Zuständigkeit infolge der unzutreffenden Behauptung annimmt, die Ltd. habe inländisches Vermögen („Goldbestand”) bzw. Steuererstattungsansprüche aus dem finanzgerichtlichen Verfahren, obwohl die Ltd. über keinen Goldbestand verfügt bzw. steuerlich nicht geführt wurde, also keine Steuerzahlungen geleistet hatte, so dass auch keine Steuererstattungsansprüche erlangt werden können.
Normenkette
AktG § 273 Abs. 4 S. 1; BGB § 123 Abs. 2 S. 1; FGO § 74
Nachgehend
Tatbestand
I.
Der Kläger war im Streitjahr zu 899/1.000 an der am …2010 in Großbritannien gegründeten … LP (LP) als beschränkt haftender Gesellschafter beteiligt. Darüber hinaus waren an der LP die bereits beigeladene A GmbH & Co. KG (jetzt A1 GmbH & Co. KG) zu 100/1.000 als weitere beschränkt haftende Gesellschafterin sowie die … Ltd. (Ltd.) mit Sitz in Großbritannien zu 1/1.000 als unbeschränkt haftende Gesellschafterin beteiligt. Für die LP waren sowohl der Kläger als auch die Ltd. zur Geschäftsführung befugt.
Gesellschafter der Ltd. war der Kläger. Die Ltd. wurde von drei natürlichen Personen als Directors vertreten, eine davon war der Kläger. Die LP und die Ltd. hatten in der Nähe des Flughafens I (Großbritannien) als Mieter einen Mietvertrag über einen Büroraum geschlossen Das Mietverhältnis war im Jahr 2013 bereits beendet. Eine inländische (Zweig-)Niederlassung oder Betriebsstätte der Ltd. wurde im Vorverfahren oder im ersten Rechtsgang zu keinem Zeitpunkt vom Kläger behauptet.
Die LP wurde im … 2013 aufgelöst; zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im ersten Rechtszug mit Urteil vom 21.11.2018 – 14 K 3066/15 – war sie vollbeendet. Sie verfügte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über Anlage- oder Umlaufvermögen. Die Ltd. wurde am …2015 aus dem Register des englischen Companies House gelöscht „strike-off”) und dort als „dissolved” (aufgelöst) geführt. Auch für die Ltd. hat der Kläger weder im Vorverfahren noch im ersten Rechtsgang behauptet, diese habe nach ihrer Auflösung noch über Vermögen verfügt.
Nach dem Vertrag vom … 2010 kaufte die LP von der B GmbH, C noch zu produzierende Schiffscontainer. Hinsichtlich des Kaufpreises in Höhe von insgesamt …. EUR wurde eine noch im Jahr 2010 zu leistende Vorauszahlung vereinbart. Nach den Verträgen vom … 2011, … 2011 und … 2011 veräußerte die LP die Schiffscontainer an die B1 GmbH, E (Deutschland).
Mit der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wurde für das Streitjahr 2010 ein Verlust der LP aus Gewerbebetrieb in Höhe von … EUR geltend gemacht, der gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt worden war. Dieser Verlust sollte nach der Erklärung gemäß dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien bestehenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA-Großbritannien) im Inland steuerfrei sein und beim Kläger zu einem (negativen) Progressionsvorbehalt führen.
Der Beklagte lehnte die Feststellung steuerfreier Verluste mit Progressionsvorbehalt gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen ab. Im Laufe des Klageverfahrens erließ der Beklagte die Einspruchsentscheidung vom 14.12.2016. Darin stellte der Beklagte im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 60,40 EUR (Nebenkosten Wareneinkauf) fest und verteilte diesen Verlust entsprechend ihrer Anteile auf sämtliche Gesellschafter der LP.
Die weiter gehende Klage blieb erfolglos. Der Senat begründete dies im vorgenannten Urteil vom 21.11.2018 – 14 K 3066/15 – mit seiner fehlenden Überzeugung, dass es sich bei den Zahlungen der LP um Aufwendungen für einen Wareneinkauf und nicht um eine Kapitalüberlassung zur Zwischenfinanzierung der B-Gruppe gehandelt habe.
Das Urteil wurde mit Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.12.2019 – I B 11/19 – aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen, weil die Ltd. nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig zum Verfahren hätte beigeladen werden müssen. Die Pflicht zur Beiladung der Ltd. sollte sich jedenfalls aus dem finanzgerichtlichen Hilfsantrag ergeb...